Rede Christian Meyer: Erneuter Stallbauboom und vermehrte Billigfleischproduktion in Niedersachsen zulasten der Bürgerinnen und Bürger sowie des Tier- und Umweltschutzes

Anrede,

die Antwort der Landesregierung zeigt ein gewisses Desinteresse am Problem der boomenden Stallbauten in Niedersachsen. Manche Fragen, etwa zu Tierhaltungsbedingungen und FFH-Gebieten, wurden gar nicht beantwortet; viele Fragen nur ungenügend und das, obwohl die Anfrage jetzt fast sechs Monate alt ist und die Antwortfrist immer wieder verlängert wurde. Der Landkreis Vechta lieferte erst im August die entsprechenden Daten.

Aber das ist so, wie bei den illegalen Legebatterien in Niedersachsen. Seit Monaten ist das Verbot der alten Qualkäfige in Kraft, aber immer noch sind Hunderttausende Legehennen ohne Genehmigung in herkömmlichen Käfigen und die Landesregierung schaut zu.

Für uns Grüne ist klar: Industrielle Tierhaltungsanlagen geben keine positiven Impulse für die ländliche Entwicklung und den Naturschutz. Im Gegenteil: Die Lebensqualität für Anwohnerinnen und Anwohner verschlechtert sich und andere Wirtschaftszweige wie der Tourismus werden in Mitleidenschaft gezogen. Zudem ist klar: Der Aufbau einer großen Tierhaltungsanlage bedeutet gleichzeitig, dass viele bäuerliche Betriebe ihre Tierhaltung in Niedersachsen aufgeben müssen. Diese Politik vernichtet Arbeitsplätze.

Die Landesregierung sieht im Bau von immer mehr subventionierten Massentierhaltungsställen nicht nur kein Problem, sondern fördert sie tatkräftig wie etwa bei der umstrittenen Ziegenfabrik im Landschaftsschutzgebiet im Kreis Holzminden.

Die Zuwachszahlen sind enorm: Im Landkreis Emsland sind Geflügelställe für 12 Millionen Tiere in Planung, im Landkreis Vechta für über 5 Millionen und im Landkreis Osnabrück für über 1 Million Tiere. Und jetzt will die Landesregierung noch einen "Hähnchen-Highway" entlang der A7, um das Stallbauproblem in die Landkreise Celle, Hildesheim und Northeim auszuweiten. Und ein riesiger Schlachthof in Wietze für die gequälten Hähnchen wird ebenfalls vom Land befürwortet.

Zu dieser Entwicklung möchte ich Ihnen etwas von einem Landtagskollegen zitieren:

"In bestimmten Bereichen Niedersachsens vollzieht sich derzeit ein Wandel von der bäuerlichen Wirtschaftsweise hin zu gewerblichen Formen der Viehhaltung. Dabei werden bisher nicht gekannte Größenordnungen erreicht. Dies gilt auch für den Kapitaleinsatz, der von außen kommt. Die eigentlichen Tierhalter sind dann oft nur noch Lohnmäster. Die betroffenen Anwohner haben die Folgen zu tragen. Außerdem wird der zu schützende Außenbereich immer stärker zersiedelt. Landschaft und Natur werden beeinträchtigt. In vielen Teilen Nordwestdeutschland wehren sich bereits Gemeinden und Landkreise gegen diese Entwicklung. Auch viele bäuerlich wirtschaftende Landwirte befürchten zu Recht erhebliche Nachteile für sich."

Dann wird gefordert, dass sich der Bundes- und Landesgesetzgeber endlich mit den neuen Herausforderungen beschäftigen solle, um gegen diese Entwicklungen vorzugehen und den Gemeinden mehr Mitsprache zu ermöglichen.

Unterzeichnet hat dieses Zitat der Kollege Wilhelm Hogrefe, CDU in einem Antrag an den Kreistag Verden am 30.10.2008 in der Debatte um einen Hähnchenmaststall von über 100.000 Tieren. 

Ich kann dem Kollegen nur zustimmen. Mit diesem Stallbauboom und den Folgen für den ländlichen Raum sollten wir uns beschäftigen.

Auch in anderen Regionen wachsen die Proteste: 

"Emsländer wollen keine Hähnchenmastställe mehr" titelte vor kurzem die HAZ. Der Bürgermeister von Glandorf, Ratskollege des Landtagsabgeordneten Martin Bäumer (CDU), forderte nach einem Konflikt um einen Hähnchenmaststall, ich zitiere: "Die Politik muss sich in Hannover und in Berlin mit dem Thema beschäftigen". Das Grundproblem sieht dieser Bürgermeister im privilegierten Baurecht für Agrarindustrielle und forderte laut HAZ eine Änderung des Paragraphen 35.

In Lähden wurde ein Schweinemäster sogar aus der CDU-Fraktion ausgeschlossen, weil er eine riesige Mastanlage für 7500 Schweine im Dorf bauen wollte.                       

Im Landkreis Emsland versuchen daher inzwischen 22 von 59 Gemeinden über Bauleitpläne sich gegen den Wildwuchs von Geflügelmastanlagen zu wehren. Doch die Privilegierung nach § 35 Baugesetzbuch hindert sie daran Tierfabriken gegen den Willen der Bevölkerung wirksam einen Riegel vorzuschieben.

Und die Große Koalition hat 2007 den Bau industrieller Stallbauten sogar noch mehr erleichtert. Die Grenzen für Umweltverträglichkeitsprüfungen und Öffentlichkeitsbeteiligung wurden massiv angehoben und die Bodenbindung der Landwirtschaft quasi abgeschafft.

Damit hat Deutschland dank CDU und SPD die schlechtesten Standards bei der Genehmigung von Tierhaltungsanlagen in der ganzen europäischen Union.

Dabei wächst die Zahl der Bürgerinitiativen gegen die Beeinträchtigungen von Umwelt und Gesundheit durch solche Agrarfabriken, die auch noch mit Millionen Steuergeldern  subventioniert werden.

Immer mehr Kommunen wollen mehr Mitsprache über Stallbauten auf ihrem Gebiet und fühlen sich da von der Landesregierung allein gelassen.

Dazu ein anderes Zitat von einem bekannten FDP-Bundestagskandidaten:

"Wer diese Art der "Nutztierhaltung" kennt und kein Problem damit hat, muss schon ziemlich abgehärtet sein. M.E. ist diese "Veredlungswirtschaft" keine Landwirtschaft mehr, weil eine vollständige Entkopplung von Boden und Produkt stattgefunden hat." 

Das sagt der ehemalige Umwelt-Staatssekretär Christian Eberl. Vielleicht war das der Grund warum Herr Sander ihn herausgeworfen hat?

Anrede,

besonders erschreckend ist dabei auch das Rechtsverständnis dieser Landesregierung zugunsten der Billigfleischindustrie.

Da wird der Alleingang Niedersachsens, der den Legehennen einfach 12 Prozent weniger Platz zumutet - Stichwort Ehlen-Erlass - damit für rechtmäßig erklärt, weil ein entsprechender SPD-Antrag abgelehnt wurde.

Dass der GBD, alle anderen Bundesländer und die Bundesregierung die Rechtswidrigkeit festgestellt haben, interessiert Sie nicht. Tiere können ja nicht klagen und Tierschutzverbände in Niedersachsen auch nicht.

So kann man immer wieder mal Augen zu drücken, wenn Legehennen illegal in zu kleinen Käfigen gehalten werden oder eine von den Ministern Ehlen und Sander gewollte Ziegenfabrik offensichtlich dem Tierschutzgesetz widerspricht.

Anrede,

ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/FDP-Fraktion:

Recht und Gesetz werden in Niedersachsen immer noch durch Gerichte festgestellt und meinetwegen durch den GBD, aber nicht durch die Ablehnung von Oppositionsanträgen.

Und dass die Landesregierung als Grund für die vielen Ausnahmegenehmigungen zur herkömmlichen Käfighaltung als Begründung die "politische Diskussion um den Platzbedarf in der Kleingruppenhaltung" anführt, halte ich für völlig absurd. Jetzt sind wahrscheinlich noch die Tierschützer und die Grünen Schuld, dass die Betriebe ihrer gesetzlichen Pflicht zur Umrüstung in der großen Mehrheit nicht nachgekommen sind.

Bei dieser Landesregierung werden bei Stallbauten die Ausnahme zur Regel und der Rechtsbruch zum Dauerzustand.

Dabei lehnen die Verbraucherinnen und Verbraucher die Industrialisierung der Landwirtschaft ab.

Das belegen auch ihre Zahlen.  Der Anteil von Eiern aus Käfighaltung ist in den letzten vier Jahren drastisch zurückgegangen. Viele Supermärkte haben Eier mit der "Drei" ausgelistet. Gleichzeitig verdoppelte sich der Anteil von ökologisch produzierten Eiern. Das ist ein großer Erfolg der von Renate Künast eingeführten Kennzeichnungspflicht bei Eiern. Jetzt endlich haben die Verbraucherinnen und Verbraucher die echte Wahlfreiheit, was sie kaufen.

Wo werden aber noch Käfigeier verwendet? Bei den Eiprodukten, etwa in Nudeln und Backwaren. Dort fehlen eine Kennzeichnungspflicht und damit auch die Wahlfreiheit.

Wir Grüne wollen den Verbraucher über den Tierschutz und die Produktionsweisen besser informieren. Das ist echte, liberale Wahlfreiheit des mündigen Konsumenten. Die Landesregierung lehnt jedoch eine Ausweitung der Kennzeichnungspflicht auf Eiprodukte ebenso wie in anderen Bereichen ab.

Anrede,

die Antworten der Großen Anfrage zeigen: Die Politik der Landesregierung setzt auf Leugnung der Umwelt-, Gesundheits-, Tierschutz-, und Demokratieprobleme. Sie begibt sich in eine einseitige Komplizenschaft mit der Billigfleischindustrie und zerstört damit eine nachhaltige Landwirtschaft.

Kein Wunder, dass Niedersachsen Schlusslicht beim Biolandbau und der artgerechten Tierhaltung ist.    

Wir Grünen wollen daher  den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Einflussmöglichkeiten bei der Genehmigung von Tierfabriken in ihrer Nachbarschaft geben.

Viele Regionen haben die Nase im wahrsten Sinne des Wortes gestrichen voll vom von der Landesregierung geförderten Stallbauboom.

Wir Grünen wollen im Einklang mit der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger eine bäuerlich-artgerechte Tierhaltung und kein Sonderrecht für hoch subventionierte Tierfabriken.

Zurück zum Pressearchiv