Antrag: Keine Wunschlisten der Bodenabbauindustrie übernehmen - Landesraumordnungsprogramm zurückziehen – Torfabbau stoppen

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Hannover, den 08.03.2011

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Die Landesregierung hat im August 2010 einen Entwurf zur Ergänzung und Änderung des Landes-Raumordnungsprogramms (LROP) vorgelegt, in dem offensichtlich eine "Wunschliste" der niedersächsischen Bodenabbauindustrie fast 1:1 übernommen worden ist, ohne dass andere raumordnerische Belange wie Umwelt-, Naturschutz und Tourismus beachtet oder mit anderen Ressorts innerhalb der Landesregierung abgestimmt worden sind. Dies dürfte ein einmaliger Vorgang in der Geschichte Niedersächsischer Landesplanung sein. Insbesondere die Aufnahme von mehreren Tausend Hektar neuen Torfabbauflächen verstößt gegen alle Klimaschutz- und Naturschutzziele des Landes.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. den im August 2010 vorgelegten Entwurf zur Änderung und Ergänzung des LROP zurückzuziehen und
  2. umgehend einen neuen Entwurf zur Änderung des LROP vorzulegen, der den Aufgaben der Raumordnung gerecht wird, nach denen unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen, Konflikte auszugleichen und Vorsorge für einzelne Raumfunktionen und Nutzungen zu treffen sind. Die Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Raumordnungsgesetz (NOG) und § 2 Niedersächsisches Gesetz über Raumordnung und Landesplanung (NROG) sind zu beachten.

Der Landtag erwartet von der Landesregierung insbesondere, dass die Grundlagen für eine Änderung des LROP fachlich sorgfältig von unabhängigen Sachverständigen erarbeitet und mit den betroffenen Ressorts der Landesregierung gewissenhaft abgestimmt werden. Die Übernahme von "Wunschlisten" bestimmter Flächen- und Ressourcennutzergruppen wie etwa der Bodenabbauindustrie als Grundlage zukünftiger Flächennutzung ist unzulässig und widerspricht der Verpflichtung der Landesregierung einen Ausgleich zwischen verschiedenen Anforderungen herbeizuführen. Dabei ist zu beachten, dass keine neuen Vorranggebiete für Torfabbau im LROP festgelegt werden, weil sie nicht mit den Zielen des Naturschutzes und des Klimaschutzes vereinbar sind.

Begründung

Die Landesregierung hat im August letzten Jahres einen Entwurf zur Ergänzung und Änderung des LROP vorgelegt, den Kommunen und Trägern öffentlicher Belange im vorgeschriebenen Abstimmungs- und Beteiligungsverfahren zur Stellungnahme übersandt und auf einer Internetplattform zur Verfügung gestellt. Den wichtigsten und bestimmenden Bestandteil macht an diesem Entwurf die Ausweitung und Neufestsetzung von Vorranggebieten für den Bodenabbau aus. Das Vorgehen, dass eine "Wunschliste" der Bodenabbauindustrie 1:1 von der Landesregierung übernommen in das Änderungsverfahren eingegeben wurde, ohne dass andere Ansprüche beachtet oder thematisiert worden wären, dürfte ein einmaliger Vorgang in der Geschichte Niedersächsischer Landesplanung sein.

Im Entwurf des Niedersächsischen Landesraumordnungsprogramms sind ca. 13.000 Hektar neue Flächen für den Bodenabbau vorgeschlagen worden. Von diesen Flächen sind mehr als 9.000 Hektar für den Torfabbau bestimmt. Eine Vielzahl dieser Flächen liegt innerhalb von Trinkwassergewinnungsgebieten, in Landschaftsschutzgebieten oder grenzt an bereits renaturierte, für den Natur- und Artenschutz besonders wertvolle Flächen, die häufig Teil des Niedersächsischen Moorschutzprogramms sind. Durch die nun geplanten neuen Abtorfungen ist die positive Entwicklung dieser Gebiete für den Natur-, Arten-, Trinkwasser- und Klimaschutz stark gefährdet.

Letztlich wurden zahlreiche neue Abbauflächen für Torf und Gesteine in den Entwurf aufgenommen, die aus Natur- und Artenschutzgründen bereits in der Vergangenheit vom Abbau ausgeschlossen waren

Festlegungen zu einzelnen Vorranggebieten die in den entsprechenden Regionalen Raumordnungsprogrammen nach sorgfältigen, umfangreichen und aufwendigen Abwägungsprozessen getroffen worden sind, wurden schlicht nicht beachtet. Die Übernahme der Vorgaben der Bodenabbauindustrie geht soweit, dass selbst Korrekturen oder Erweiterungen bestehender Bodenabbaugebiete in einem Ausmaß von unter zehn Hektar Fläche, die bisher üblicherweise und sinnvoll auf Ebene der regionalen Raumordnung vorgenommen worden sind, wurden in den Entwurf des LROP aufgenommen. Andererseits wurden Bodenabbauflächen aufgenommen, von denen völlig unklar ist, ob jemals eine Auskiesung oder ein Abbau dort stattfinden wird.

Nicht nur die Landkreise und betroffenen Standortgemeinden haben massive Kritik am Entwurf des LROP geübt, sondern auch der Umweltminister selbst hat insbesondere an geplanten Vorrangebieten für den Abbau von Torf aus fachlicher Sicht heftige Kritik geübt und öffentlich verlangt, dass das zuständige Fachressort, das Ministerium für Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung den Entwurf korrigieren müsse. Die Kritik, des Ministers für Naturschutz verwundert in zweifacher Hinsicht: 1. ist bekannt, dass Minister Sander auf die Beachtung naturschutzfachlicher Gesichtspunkte bei der Beurteilung von Eingriffen nur selten Wert legt und 2. dass offensichtlich der Entwurf des zuständigen Ressorts von Minister Lindemann nicht mit dem Umweltministerium abgestimmt worden ist.

Als Konsequenz aus dieser Situation ist es erforderlich, den Entwurf für die Änderung des LROP vom August 2010 zurückzuziehen und die Landesregierung aufzufordern, auf fachlich sauberer Grundlage einen neuen Entwurf zu erarbeiten und ins Verfahren zu geben.

Dabei müssen neue Torfabbauflächen grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Bereits über 95 Prozent der ehemaligen Hochmoorflächen des einstigen Moorlandes Niedersachsen sind bereits zerstört worden. Die letzten Reste sollten zum Erhalt der einmaligen Fauna und Flora der Moore endlich unter Schutz gestellt werden. Anstatt das Moorschutzprogramm durch Niedermoorflächen zu ergänzen und zu entwickeln, sollen nun auch diese restlichen Flächen dem Abbau preisgegeben werden.

Nicht nur aus Gründen des Artenschutzes, sondern besonders aus Gründen des Klimaschutzes ist es unverantwortlich, die eigentlich als CO2-Senken funktionierenden Moore abzutorfen und damit Unmengen von CO2 in die Luft zu blasen. Das Land Niedersachsen würde damit seiner hohen Verantwortung im Moor- und Klimaschutz keineswegs gerecht, sondern muss sich vielmehr die Frage stellen lassen, ob es mit der Ausweisung neuer Torfabbau-Vorranggebiete der vollmundig propagierte Klimaschutz nicht ad absurdum führen würde.

Eine 15 Zentimeter hohe Torfschicht speichert auf der gleichen Fläche in etwa ebensoviel CO2 wie ein 100-jähriger Wald. Eine Freisetzung dieser Treibhausgase durch den von der Landesregierung geplanten Torfabbau ist nicht zu verantworten.

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

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