Rede Anja Piel: Aktuelle Stunde (GRÜNE) zur Geburtshilfe

vlnr: Thomas Schremmer (MdL), Elke Twesten (MdL), Anette Delikaer und Evelyn Kampmann (Hebammen Geburtshaus Herrenhausen), Meta Janssen-Kucz (MdL), Anja Piel (Fraktionsvorsitzende), Gabriele Heinen-Kljajic (Ministerin), Veronika Bujny (Landesvorsitzende des Hebammenverbandes), Thela Wernstedt (MdL)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

eines eint uns alle hier im Raum. Wir alle wurden einmal geboren. Mit jeder und jedem von uns war einmal eine Frau schwanger. Und keine unserer Mütter hat hoffentlich ihr Kind ganz ohne Unterstützung zu Welt gebracht.

Es gab mal Zeiten, da haben die älteren Frauen im Ort den jüngeren bei der Geburt geholfen. Sie haben nach besten Kräften Hilfe leisteten, aber eine Ausbildung und fachgerechte Ausstattung hatten sie natürlich nicht.

Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Sind sie das wirklich?

Schwangere Frauen haben immer öfter Probleme, Hebammen zu finden. Und im Internet kursieren neuerdings Videos mit Anleitungen, wie Frauen ihre Kinder allein zur Welt bringen können.

Denn die Zahl der freiberuflichen Hebammen sinkt. Und das liegt nicht daran, dass es weniger Frauen – und manchmal auch Männer – gibt, die sich für diesen Beruf interessieren.

Nein, Hebammen haben ein Problem, mit dem auch andere Berufsgruppen im Gesundheitsbereich zu tun haben.

Berufsgruppen, nebenbei bemerkt, in denen zufällig vor allem Frauen arbeiten:

Sie sind ziemlich schlecht bezahlt.

Die Vorschläge der Krankenkassen für ein neues Vergütungssystem waren für die freiberuflichen Hebammen nicht hinnehmbar. An diesem Freitag entscheidet nun die Schiedsstelle über die Regelungen. Ich bin gespannt, aber mäßig optimistisch, dass sich die Situation entscheidend verbessert.

Das zweite Problem: Hebammen zahlen Versicherungsprämien, die einen guten Teil des Geldes gleich wieder nehmen. Für freiberufliche Hebammen beläuft sich die Prämie auf jährlich bald 8000 Euro.

Man muss sich mal klarmachen, was das heißt. Natürlich: Geburten sind keine Kleinigkeit. Es gibt immer noch Risiken.

Aber die Last dieser Risiken auf Hebammen und, in der Folge, auf die Schwangeren abzuwälzen – das ist doch absurd!

Anrede,

die Folge: Geburtsstationen und Kreißsäle machen zu, weil es einfach an Personal mangelt.

Schwangere müssen weitere Wege in Kauf nehmen. Sie haben zum Teil Schwierigkeiten, überhaupt eine Hebamme zu finden.

Wenn es weniger Hebammen gibt, haben die Eltern nicht mehr die Freiheit, zu entscheiden, wie sie ihr Kind zur Welt bringen wollen. Sie müssen sich dem Angebot anpassen, das eben vor Ort besteht.

Frauen sollen nicht gezwungen sein, in der Klinik zu entbinden, weil sie einfach keine Beleghebamme mehr finden.

Und schon gar nicht darf es sein, dass die Entscheidung für einen Kaiserschnitt deshalb fällt, weil gerade in der Klinik keine Zeit ist oder keine Hebamme zur Verfügung steht.

Anrede,

die freie Entscheidung für die Form der Geburt ist nicht zuletzt eine Frage der Gleichberechtigung.

Wenn ein Bereich, der nur Frauen betrifft, Stück für Stück immer technischer und ökonomischer organisiert wird – dann ist das eine Benachteiligung von Frauen, gegen die wir uns wehren!

Anrede,

es gibt hier nicht die eine Lösung. Wichtig ist, dass wir endlich Schritte gehen, um die Situation der Hebammen zu verbessern.

Das heißt: Die Gesellschaft muss sich das Problem zu eigen machen. Denn nur dann werden die Krankenversicherungen daraus ihre Konsequenzen ableiten. Darum sprechen wir das Problem auch immer wieder an.

Wir fordern, dass die Bundesregierung verbindlich gestaltet, wieviel Geld die Hebammen bekommen. Wenn die Krankenkassen sich nicht bewegen, müssen Gespräche geführt und Vorgaben gemacht werden.

Außerdem brauchen wir eine Lösung für die Problematik der Haftpflichtversicherung. Möglich wäre ein Modell, das sich an der Unfallversicherung orientiert und solidarisch von allen Gesundheitsberufen getragen wird.

Schließlich müssen Daten erhoben werden, damit wir wissen, wie die Versorgung in den Regionen eigentlich ist.

Wir haben diese Maßnahmen bereits 2014 gefordert und die Bundesratsinitiative aus Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein unterstützt. Passiert ist – nichts.

Und darum kann ich Ihnen schon jetzt für den Herbst ankündigen:

Sobald es eine neue Bundesregierung und einen neuen Gesundheitsminister im Bund gibt, werden wir weitere Anläufe starten, um die Rahmenbedingungen für die Hebammen zu verbessern.

Die Grünen im Bund arbeiten dazu.

Die Grünen im Land arbeiten dazu.

Die niedersächsische Sozialministerin arbeitet dazu.

Arbeiten Sie mit!

Vielen Dank.

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