Stefan Wenzel: Rede zum Haushaltsentwurf 2019 (Gesetzentwurf der Landesregierung)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Auch von meiner Seite einen herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die 2.500 Seiten Haushalt für die Beratung zusammengestellt haben!

Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist ein Zeichen der Schwäche dieser Großen Koalition in Hannover:

hohe Steuereinnahmen, niedrige Zinsen, aber keine strukturellen Reformen, keine substanzielle Vorsorge für die Zukunft.

Meine Damen und Herren, der Vorsitzende der CDU-Fraktion denkt an den großen Gatsby, wenn er an den Finanzminister denkt - ein „undurchsichtiger Geschäftsmann“, kann man dazu auf Wikipedia nachlesen.

Meine Damen und Herren, das große Problem der Großen Koalition ist: Sie wollen sich nicht in die Karten gucken lassen. Der Grund dafür: Ihre Karten sind oft gezinkt. Deshalb wäre es eigentlich Zeit für eine interne Revision in Ihrem Büro, Herr Finanzminister. Ich glaube, der Kollege Grascha würde mir dabei helfen, bei Ihnen einmal ordentlich aufzuräumen und dafür zu sorgen, dass die Verfassung auch wirklich zur Geltung kommt. Manchmal ist es ganz nett zu lesen, wo Sie immer das eine oder andere Papier durchstechen.

Aber ich muss Sie schon an den Artikel 26 der Verfassung erinnern. Er verpflichtet die Landesregierung, frühzeitig und vollständig über Gesetzesvorhaben, Landesplanung, Standortplanung und andere Dinge von grundsätzlicher Bedeutung zu unterrichten. Sie haben das offenbar nicht im Blick. Wie anders ist es zu verstehen, dass man in den Bilanzpressekonferenzen der NORD/LB mehr über die Zukunftspläne des Unternehmens erfährt als in der Haushaltssitzung des Landtags! Auch im Aufsichtsrat soll es ähnlich sein.

Sie betreiben hier Geheimniskrämerei an einer Stelle, an der es für das Land Niedersachsen noch sehr teuer werden kann. Deswegen erwarten wir, dass die Opposition voll in Ihre Pläne eingebunden wird und dass hier volltransparent über Haushaltsrisiken gesprochen wird.

Auch Ihre Hauruckaktion bei den Finanzämtern ist ein interessantes Beispiel. Offenbar hat noch nicht einmal das Ministerium für den ländlichen Raum hierbei mitzeichnen dürfen. Die Beschäftigten haben Sie ebenso außen vor gelassen wie die Gewerkschaften und die Kommunen. Auch den Antrag zur Unterrichtung im Landtag haben Sie vertagt. Das ist eine Geheimniskrämerei, eine Intransparenz, die wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Aber das ist auch ein Zeichen für die Schwäche dieser Großen Koalition. Wenn Ihre Pläne nämlich wirklich so gut wären, Herr Ministerpräsident und Herr Althusmann, dann bräuchten Sie gar keine Sorge zu haben, diese Pläne auch hier im Plenum diskutieren zu lassen.

Aber nein, Sie versuchen sie durch zu zocken und möglichst nicht vorab zur Kenntnis zu bringen. Das ist in der Verfassung anders vorgesehen, meine Damen und Herren. Das fällt Ihnen auch langfristig auf die Füße, weil in dieser Art und Weise am Ende schlechte Entscheidungen getroffen werden.

Gucken Sie sich das an, welche Herausforderungen Sie beim internationalen Datenaustausch und bei der Verstärkung des Personals der Steuerverwaltung haben! An allen diesen Stellen gäbe es noch viel zu tun, gerade auch für die innere Sicherheit; denn dabei geht es beispielsweise um Fragen wie Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung.

Während Sie beim Polizeigesetz um der symbolischen Härte willen die verfassungsrechtlichen Grenzen überschreiten, lassen Sie bei Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung die Akten liegen. Aber was nützen am Ende die neuen Ausrüstungsgegenstände für die Polizei, wenn Ihr Bundesinnenminister ‑ Herr Schünemann ist jetzt leider nicht da ‑ durch Berlin irrlichtert und sich am Ende sagen lassen muss, dass er das größte Sicherheitsrisiko für dieses Land ist!

Wer, meine Damen und Herren, hätte es denn für möglich gehalten, dass sich 200 Polizeibeamte an den MP wenden und ihre Sorge über die Diskriminierung von Minderheiten zum Ausdruck bringen! Ich hätte mir das vor einem Jahr noch nicht vorstellen können.

Meine Damen und Herren, Sicherheit hat viel mit Vertrauen zu tun, aber eben nicht allein mit Polizei. Sicherheit hat auch etwas mit sozialer Sicherheit zu tun und mit dem Vertrauen in einen Rechtsstaat, der alle gerecht behandelt. Hier haben Sie ebenfalls eine offene Flanke: von der Kinderbetreuung bis zur Pflege. Warum schaffen es die großen Parteien nicht, für eine faire Bezahlung in den sozialen Berufen zu sorgen?

Das, was wir an Fachkräftemangel im Pflegebereich, in den Krankenhäusern, in den Schulen und in den Kindergärten spüren, hängt auch damit zusammen, dass diese sozialen Berufe oft viel schlechter bezahlt werden und dass man in den Ausbildungen bislang oft noch für die Ausbildung selbst bezahlen muss. Das sind tatsächlich strukturelle Herausforderungen. Da bedürfte es wirklich einer Großen Koalition, um diese anzugehen, meine Damen und Herren; denn das sind oft gewachsene Fragen, die sich über lange Jahre so herausgebildet haben.

Meine Damen und Herren, leider kommt von Ihnen auch gerade zu diesen Verteilungsfragen viel zu wenig. Da reicht es nicht, die Gebührenfreiheit herzustellen, sondern da muss viel mehr strukturell angegangen werden. Wer könnte das denn anders als eine Große Koalition, die sich vielleicht über manchen Widerstand, der dabei entstehen könnte, hinwegsetzen könnte!

Aber: Sie scheuen das Risiko. Sie scheuen die Diskussion. Das ist genauso, wenn es an die großen Erben bei der Erbschaftsteuer, um die Grundsteuer oder darum geht, sich mit den Eigentümern von VW und Porsche bei der Neuausrichtung der Automobilindustrie anzulegen, oder wenn man sich mit Dow und der IG BCE anlegen müsste, wenn man dort tatsächlich plant, noch einmal ein Kohlekraftwerk zu bauen.

All das sind Zeichen für die Schwäche dieser Großen Koalition, meine Damen und Herren. Dies zeigt, dass Sie den wirklichen Konflikten oft ausweichen.

„Groß“ ist ein Synonym für bedeutend, für entscheidend, für erheblich. Aber für die Große Koalition in Hannover muss man feststellen: Sie sind groß, aber Sie sind nicht mächtig. Sie sind viele, aber Sie sind nicht stark. Sie haben die Mehrheit, aber Sie sind nicht souverän. Sie verwalten, wo Sie gestalten müssten. Niedersachsen hätte Besseres verdient.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

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