Rede Thomas Schremmer: Bundeseinheitliche Regelung zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Frauen mit geringem Einkommen schaffen

- Es das gesprochene Wort - 

Anrede,

die SGB II-Regelsätze waren hier im Landtag schon häufiger Thema. Dass wir diese für zu niedrig und der Lebensrealität nicht angemessen halten, haben wir hier schon mehrfach dargestellt. Auch die zum nächsten Jahr geplante Erhöhung der Regelsätze halten wir für nicht angemessen.

Mit dem hier vorliegenden Antrag wollen wir jedoch auf ein ganz besonderes Problem aufmerksam machen: Empfängerinnen von SGB II-Leistungen und einkommensschwache Frauen haben de facto keinen Zugang zu Verhütungsmitteln.

Bis 2004 wurden die Kosten für Verhütungsmittel noch übernommen. Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz entfiel diese Möglichkeit. Die Situation ist heute wie folgt: Bis zum 20. Lebensjahr werden die Kosten für Verhütungsmittel von den Krankenkassen übernommen. Bis zum 20. Lebensjahr deshalb, weil man davon ausgeht, dass junge Frauen in Ausbildung nicht über ausreichend finanzielle Ressourcen verfügen. Bei Empfängerinnen von SGB II-Leistungen werden diese Ressourcen hingegen vorausgesetzt. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf den Regelbedarf für Gesundheitspflege in Höhe von sage und schreibe 17 Euro pro Monat.

Das reicht jedoch für viele Verhütungsmittel, vor allem für solche mit Langezeitwirkung, nicht aus. Man kann sicherlich darüber streiten, ob dieser Betrag angemessen ist, aber Tatsache ist – das haben Studien gezeigt -, dass Frauen mit geringem Einkommen auf eine sachgerechte Verhütung aus Kostengründen verzichten und die Zahl der ungewollten Schwangerschaften steigt. Tatsache ist auch, dass die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch im Bedarfsfall übernommen werden.

Anrede,

das ist nicht nur zynisch, das ist eine Einschränkung des Rechtes auf sexuelle Selbstbestimmung.

Zwar fördert das Bundesfamilienministerium derzeit ein Modellprojekt zur Kostenerstattung für Verhütungsmittel, das u.A. in Wilhelmshaven durchgeführt wird. Es erhofft sich davon Erkenntnisse über die Anzahl der betroffenen Frauen. Wir haben hier jedoch kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit, dem einige Kommunen bereits mit eigenen Lösungen begegnen. Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung daher auf, sich mit einer Bundesratsinitiative für eine bundesweite Regelung im SGB II einzusetzen. Dabei sollen nicht nur Verhütungsmittel berücksichtigt werden, sondern auch Notfallkontrazeptiva wie die Pille danach.  

Anrede,

für Empfängerinnen und Empfänger von SGB II-Leistungen - aber überwiegend für die betroffenen Frauen - ist all das Luxus, was für viele von uns selbstverständlich ist: kulturelle Teilhabe, eine ausgewogene Ernährung, schnelles Internet - und Verhütung und damit die sexuelle Selbstbestimmung. Aber gehen all diese Dinge tatsächlich über das als gesellschaftlich notwendig erachtete hinaus? Ich denke nicht.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Ausschussberatungen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. 

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