Rede Miriam Staudte: Antrag (GRÜNE) zu Tierschutzvergehen in der Nutztierhaltung

21% der lebend geborenen Schweine verenden oder werden notgetötet, bevor sie zu einem Schlachthof geschickt werden können.

- es gilt das gesprochene Wort - 

Sehr geehrter Frau Landtagspräsidentin,

meine Damen und Herren Abgeordnete!

 

21% der lebend geborenen Schweine verenden oder werden notgetötet, bevor sie zu einem Schlachthof geschickt werden können.

21% - also jedes fünfte Schwein, das in menschlicher Obhut geboren wird, ist irgendwann so krank oder verletzt, dass es nicht überlebt.

Die letzte Station dieser 13,6 Millionen Schweine ist die Tierkörperbeseitigungsanlage bzw.  der „Verarbeitungsbetrieb für tierische Nebenprodukte“ wie die Tierkörperbeseitigungsanlagen etwas beschönigend heute heißen.

Das sind Zahlen, die nicht hingenommen werden können.

Allein diese Zahlen sind Grund genug die Haltung radikal zu verändern.

Nun hat Ende 2017 eine Studie der tierärztlichen Hochschule Hannover zusätzlich erschreckende Befunde aus Tierkörperbeseitigungsanlagen zu Tage gefördert.

Die TiHo hat in vier Tierkörperbeseitigungsanlagen angelieferte Tierkadaver aus sechs Bundesländern untersucht.

Dabei wurde festgestellt, dass 13,2% der Mastschweine und 11,6% der Zuchttiere so starke Verletzungen oder krankhafte Veränderungen schon vor Ihrem Tod hatten, dass sie über einen längeren Zeitraum gelitten haben müssen.

Ich habe mir den Studienbericht angesehen. Die Schweine sind fotografisch dokumentiert und das Bildmaterial ist erschreckend. Ich werde Ihnen hier jetzt keine Fotos zumuten, aber einige Beispiele muss ich schon nennen.

Sehr viele Schweine waren stark abgemagert. Mastschweine, die nur noch 10kg gewogen haben, reine Gerippe, bei denen natürlich noch zusätzliche Erkrankungen wie Dekubitus auftreten, denn ohne schützendes Fettgewebe entstehen diese Dekubitus-Löcher durch alle Hautschichten hindurch bis aufs Muskelfleisch hindurch natürlich eher. Heraushängende Darmschlingen, abgerissene Klauen, Bisswunden. Ich will es mal dabei belassen.

Aber alles in allem lauter Verletzungen oder Erkrankungen, die auch ein Laie erkennt.

Das Tierschutzwidrige ist nun, dass bei eben jenen genannten Prozentsätzen nachzuvollziehen ist, dass diese Leiden schon lange angedauert haben. Natürlich können Tiere krank werden, das kennt jeder Tierhalter. Aber einen Dekubitus am Kopf bekommt ein Schwein nur, wenn es lange den Kopf nicht mehr heben konnte. Die Studie hat

auch ergeben, dass viele Tiere lange abgemagert gewesen sein müssen, denn sie haben als körperliche Reaktion auf den Mangel an Energie und wärmender Fettschicht ein längeres Haarkleid bekommen.

Nach Paragraf 17 Punkt 2.b) Tierschutzgesetz gilt eigentlich:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, (….)  wer einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.“

An der fehlenden Gesetzeslage  liegt es also nicht. Als Tierhalter ist man hier in der Garantenstellung. Also Unterlassen ist auch schon einem aktiven Handeln gleichzusetzen. Außerdem gilt die Nutztierschutzverordnung.

Aber es gibt einen Haken.

Wir haben mitverfolgt, dass die Branche und auch die Ministerin reagiert haben und die Ausbildung von Landwirtinnen und Landwirten verbessern wollen, dass sie Schulungen anbieten wollen, dass sie sich um eine bessere Qualifikation für die Durchführung von Nottötungen einsetzen wollen.

Das ist ja auch noch ein Punkt:

Dass zwischen den toten Kadavern immer wieder Tiere angeliefert werden, die noch leben.

Das sind wichtige Maßnahmen und das begrüßen wir auch, aber diese Maßnahmen reichen nicht.

Es handelte sich bei den betroffenen Tieren, um Fälle bei denen jeder Laie hätte erkennen können, dass diese Tiere tierärztliche Behandlung brauchen oder erlöst werden müssen. Das kann nicht nur an der mangelnden Ausbildung liegen. Einige Tiere werden scheinbar schnell als Kümmerer eingestuft: „Die fangen sie sich eben noch- oder auch nicht.“

Während in Schlachthöfen jetzt vermehrt Tiere auf Verletzungen untersucht werden, muss sich in Tierkörperbeseitigungsanlagen niemand mehr um die Dokumentation kümmern.

Die Kadaver werden verbrannt und das war´s.

Es ist aus unserer Sicht notwendig, dass in diesen Tierkörperbeseitigungsanlagen auch regelmäßig Kontrollen der Überwachungsbehörden stattfinden müssen.

Eine Rückverfolgbarkeit bis zum Halter muss gewährleistet sein. Und dann muss das auch zumindest im Wiederholungsfall strafrechtliche Konsequenzen haben.

Nun kommt ja leicht das Gegenargument, wenn die angelieferten Tierkörper begutachtet werden und sei es nur stichprobenartig, dann nimmt doch die illegale Entsorgung zu. Das habe ich mich auch gleich gefragt, und das wird in der Studie auch problematisiert. Aber ich teile die Schlussfolgerungen von Frau Professorin Elisabeth große Beilage.: In Biogasanlagen kann man Schweine

nicht entsorgen, denn die Knochen und Klauen können die Rührwerke kaputt machen. Vergraben mit der Schaufel ist aufwändig und wenn man mit großem Gerät an ungewöhnlichen Orten zu Gange ist, fällt das leicht auf. Zumindest große Betrieben haben keine Möglichkeit ihre Tiere dauerhaft illegal zu entsorgen. Da wäre es weniger aufwändig, sich richtig zu kümmern oder die Tiere eben rechtzeitig notzutöten.

Ich denke, wir sind es im Sinne des Tierschutzes den Nutztieren und der Gesellschaft schuldig, dieses Thema im Fachausschuss lösungsorientiert zu diskutieren.

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