Rede Julia Hamburg: Schule muss der Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identitäten gerecht werden – Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen fördern – Diskriminierung vorbeugen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,

heute stimmen wir über einen Entschließungsantrag ab, der das Thema Toleranz und Antidiskriminierung an Schulen noch einmal größer schreiben lässt. Bislang wird der Lebensbereich der Lesbisch-, schwulen-, bi-, trans- und intersexuellen Menschen im Schulunterricht weitgehend ausgeklammert.

So werden zwar heute bereits um Diskriminierung entgegenzuwirken in Unterrichtsmaterialen Menschen verschiedener Herkunft gezeigt, auch Rollstuhlfahrer sind zu sehen und auch die alleinerziehende Mutter findet im Schulbuch ihren Platz.

Aber mit dem lesbischen Pärchen mit Kind oder den Transsexuellen ist auch heute noch in keiner Textaufgabe zu rechnen.

Dabei ist vielfach belegt, dass Diskriminierung oft durch Unkenntnis entsteht. Deshalb ist es von immenser Bedeutung, das Unterrichtsmaterialien und Schulbücher die Lebensrealitäten darstellen. Dass sich jedes Kind mit seiner Lebenssituation im Schulbuch wiederfindet und dass die Arbeitsblätter nicht nur eine vierköpfige Familie, mit Hund und Reihenhaus zeigen, deren Großeltern ein Haus weiter wohnen, sondern auch die Patchworkfamilie, deren Oma im Libanon wohnt und den schwulen Lehrer, der mit seinem Freund regelmäßig bei dieser Patchworkfamilie babysittet, weil die Oma ja im Libanon lebt. All das ist unsere gegenwärtige Lebensrealität – unsere Gesellschaft ist bunt, sie ist vielfältig und sie ist verschieden; und das ist auch gut so. Aber eben weil Menschen so verschieden sind, muss auch in der Schule Raum für das ‚Anders sein‘ bieten – und zwar ohne zu diskriminieren.

Wir haben uns mit unserem Antrag bewusst auf den Bereich der sogenannten LSBTI bezogen, weil dieser ein Bereich ist, der in Schulen noch viel zu wenig thematisiert und mitgedacht wird. Im Gegensatz zu den Bereichen Rassismus und Behindertenfeindlichkeit, gibt es für den Bereich der LSBTI wenig Vorgaben, wenig Konzepte, wenig Bewusstsein und wenig Angebote. Das soll und muss sich zukünftig ändern – und deshalb hilft hier der Änderungsantrag der CDU auch nicht weiter, denn er ist an dieser Stelle oberflächlich und halbherzig und löst nicht den Kern des Problems.

Unser Antrag fordert die Aufnahme qualifizierter Fortbildungsangebote in dem Bereich für LehrerInnen, er fordert eine angemessene Berücksichtigung der Thematik in Schulbüchern. Der Antrag fordert die Kerncurricula der jeweiligen Jahrgangsstufen auf eine angemessene Berücksichtigung der Thematik zu überprüfen und Schulaufklärungsprojekte in diesem Bereich zu fördern. Auch sollen die Schulen aufgefordert werden, sich mit der Vielfalt sexueller Identitäten auch in ihren Schulprogrammen auseinanderzusetzen. Natürlich bleiben hierbei die Grundsätze der „Eigenständigen Schule“ ebenso wie der „Elternwille“ unberührt. All diese Schritte sind immens wichtig, um der Diskriminierung aufgrund der eigenen sexuellen Identität vorzubeugen.

Schule ist tagtäglicher Lebensraum von Schülerinnen und Schülern und natürlich auch Lehrerinnen und Lehrern. Tagtäglich trifft man die gleichen Menschen – eine schöne Kontinuität, aber auch schnell beengend, wenn man sich mit seiner eigenen Persönlichkeit nicht angenommen fühlt. Viele Jugendliche haben Angst sich zu outen und auch Lehrerinnen und Lehrer trauen sich nicht, zu ihrer Sexualität zu stehen, haben Angst vor Reaktionen aus dem Kollegium und der Schülerschaft. Hier ist Politik gefragt, Antworten zu geben und Schule gefragt, sich stärker zu öffnen und dieser Problematik zu begegnen. Ich freue mich, dass wir heute gemeinsam mit der FDP einem Thema begegnen, dem sich Politik hätte bereits weit früher stellen müssen. Die derzeitigen Reaktionen auf unseren Antrag, die zum Teil massiven Beleidigungen, Unterstellungen und Verschwörungstheorien machen einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, dieses Thema weiterhin offensiv anzugehen. Hier herrscht immer noch eine starke Unsicherheit vor, die zu sinnloser Ablehnung und zu gefährlichem Hass führt. Das können und dürfen wir nicht akzeptieren. Die zahlreichen positiven Reaktionen bestärken uns. Wir alle wollen in einer Gesellschaft leben, die Nächstenliebe lebt – die jeden Menschen so annimmt, wie er ist. Die jedem Menschen Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Mit diesem Antrag leisten wir dazu einen weiteren Beitrag.

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