Rede Julia Hamburg: Antrag (CDU) zu Linksextremismus

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede,

wenn Menschen durch Straßen gejagt werden, wenn Menschen aufgelauert wird, um sie zu verprügeln, wenn Polizeibeamte aufgrund ihres Berufs angegriffen und Polizeistationen oder Ausländerbehörden zerstört werden, um ein Exempel gegen das staatliche Gewaltmonopol zu statuieren oder staatliche Behörden einzuschüchtern, dann sind das Umstände, die wir als Demokrat*Innen aufs Schärfste verurteilen und denen unser Rechtsstaat offensiv begegnen muss.

Wenn aber Menschen sich Nazis bei dem Verbreiten ihrer menschenverachtenden Parolen in den Weg stellen, wenn Leute für Menschlichkeit in der Flüchtlingspolitik demonstrieren und zivilen Ungehorsam praktizieren, dann ist das Ausdruck einer lebendigen und gelebten Demokratie, dann ist das Zivilcourage unserer Bürgerinnen und Bürger und verdient somit unseren Respekt und unsere Anerkennung.

Und es ist ja schon bezeichnend, dass dieser Antrag ausgerechnet von der Fraktion eingebracht wird, deren Fraktionschef laut verkündet, grundsätzlich nicht auf Demonstrationen zu gehen. Sie geben in Ihrem Antrag Hinweise zum richtigen Umgang im Demonstrationsgeschehen ohne jemals auch nur eine Demonstration dieser Art von außen oder von innen gesehen zu habn. Und dieses Verhalten ist symptomatisch für Ihren gesamten Umgang mit dem sogenannten Linksextremismus.

Ich bin sehr froh, dass die derzeitige rot-grüne Landesregierung darauf verzichtet, linkes, zivilgesellschaftliches, antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren. Vielmehr – und das ist doch der einzig richtige Weg – sucht die Landesregierung die Abgrenzung zwischen den Phänomenen. Was ist linkes und progressives Engagement, was ist politische Meinungsäußerung und was ist das erstrebenswerte, förderungswürdige, wichtige, antifaschistische Engagement. Und auf der anderen Seite: wo gibt es menschenverachtende, demokratie- und verfassungsfeindliche Entwicklungen im linken Spektrum. Und damit sind eben nicht die Blockaden des Castors gemeint und auch nicht das Streiten für antikapitalistische oder basisdemokratische Strukturen. Sondern es ist damit politisches Agieren gemeint, dass das Ziel hat unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat abzuschaffen. Da Sie von der CDU das aber alles wild in einen Topf schmeißen und nicht differenzieren, entstehen dann auch so überflüssige Anträge.

Und wenn Sie in Ihrer Argumentation jetzt auf die politisch motivierte Kriminalitätsstatistik zu sprechen kommen, möchte ich hier zur Einordnung einfach auf zwei Fakten hinweisen: Zum einen werden in diese Statistik lediglich die ersten Einschätzungen der aufnehmenden Polizist*innen eingetragen, sodass nicht immer tatsächlich diese Straftaten auch entsprechend später zugeordnet werden. Zum Andere kann ich Ihnen im Zuge meiner eigenen Demonstrationsbegleitung als Abgeordnete berichten, wie schnell es zu statistisch relevanten Vorfällen kommt, ohne dass sich ein Demonstrationsgeschehen seiner Friedlichkeit entfernt hat. Immer wieder kommt es hier auch gerichtlich zu Korrekturen dieser Einschätzungen, die dann in die Statistik rückwirkend keinerlei Einfluss erhalten. Deshalb muss man diese Zahlen immer auch mit Vorsicht genießen und bei der Erhebung dieser Statistik immer besser werden.

In Niedersachsen gibt es Präventionsangebote und in Niedersachsen gibt es über die Dokumentationsstelle an der Universität Göttingen Forschung in diesem Bereich. In einer ausführlichen Unterrichtung konnten Sie sich im Rechtsausschuss davon überzeugen, dass die Behörden vor allem an einem Bedarf sehen: An der Analyse und Forschung in diesem Bereich. Und sie können noch tausend Mal behaupten, dass es den Bedarf an Schulangeboten gibt: Wenn die Schulen diese nicht abfragen, wollen Sie diesen doch nicht ernsthaft unterstellen, dass sie absichtlich wegsehen und ihre Arbeit nicht machen? Ich finde es absurd, dass Sie nicht akzeptieren wollen, dass die bestehenden Strukturen in diesem Bereich funktionieren und es keinen darüber hinausgehenden Bedarf gibt. Sie konnten sich doch bei den vielfältigen Veröffentlichungen des Innenministeriums davon überzeugen, dass das Innenministerium die aktuellen Entwicklungen sehr wohl im Blick hat.

Deshalb lehnen wir Ihren Antrag heute ab.

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