Rede Julia Hamburg: Antrag (AfD) zur Einführung eines Landeserziehungsgeldes

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Anrede,

die AfD fordert in ihrem Antrag eine Wahlfreiheit zu schaffen. Schauen wir uns doch einmal an, ob der Antrag wirklich hält, was er verspricht. Schaffen Sie mit der Einführung des Landeserziehungsgeldes, so wie sie es fordern, eine Wahlfreiheit für Menschen?

Da wäre die berufstätige Mutter oder der berufstätige Vater mit dem aktuellen Durchschnittseinkommen von 3770 Euro im Monat. Schaffen Sie für diese Person damit eine Wahlfreiheit? Wohl kaum. Denn diese Person wird es nicht davon abhängig machen, ob sie das Landeserziehungsgeld erhält, ob sie zu Hause bleibt oder nicht.

Dann haben wir die von Ihnen viel zitierte alleinerziehende Mutter, der sie mit diesem Landeserziehungsgeld eine Wahlfreiheit schaffen wollen. Aber ich sage Ihnen eines, meine Dame und Herren von der AfD: Diese alleinerziehende Mutter erreichen Sie auch gar nicht mit diesem Landeserziehungsgeld, sondern dieses wird bei der alleinerziehenden Mutter auf die Sozialleistungen, die sie bezieht angerechnet. Es ist also ein Nullsummenspiel. Reine Symbolpolitik und sonst nichts.

Welche steuernde Wirkung hat also dieses Landeserziehungsgeld? Gar keines. Es ist eine reine Investition in einem Mitnahmeeffekt von Menschen, die sich entscheiden ihre Kinder zuhause zu erziehen. Ansonsten erzielt man mit diesem Geld vor allem negative Folgewirkungen.

Denn wenn Sie von der AfD wirklich eine Wahlfreiheit schaffen wollten, dann müssten Sie erst einmal dafür Sorge tragen, dass überhaupt genügend Kita- und Krippenplätze zur Verfügung stehen. Denn das ist immer noch ein Grund, warum keine Wahlfreiheit in diesem Land besteht: Es gibt nicht ausreichend Plätze, die Plätze sind teilweise deutlich zu schlecht ausgestattet und uns fehlt das Personal, um ausreichend Kitas zu eröffnen. Um also eine echte Wahlfreiheit zu schaffen, müssen wir das Geld in die Kita-Infrastruktur investieren und nicht in ein Landeserziehungsgeld leiten.

Eine vollkommen andere Frage ist die Anerkennung von Fürsorgezeiten – sogenannten CARE-Zeiten – für Pflege und Erziehung. Ich denke, da sind wir uns in diesem Haus einig, dass die Vereinbarkeit von Erwerbsleben und Familie, von Fürsorgearbeit und Beruf, verbessert werden muss und bei der gesellschaftlichen und monetären Anerkennung von Fürsorgezeiten noch deutlich Luft nach oben ist.

Wie aber erreichen wir dieses Ziel der Anerkennung und Berücksichtigung? Ich sage Ihnen deutlich: Die von Ihnen vorgeschlagene und wieder aufgewärmte Herdprämie ist nicht der Weg, wie das funktionieren wird. Das ist, wie ich bereits ausführte, eine Fehlinvestition ohne steuernden oder nachhaltigen Effekt. Was es braucht, ist eine Überprüfung der Anerkennungszeiten von Fürsorgearbeit auf Rentenansprüche, aber auch ein Ausbau von Jobsharing-Modellen, die dem Anspruch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht werden, insbesondere etwa für Schichtarbeitende in Krankenhäusern beispielsweise. Darüber hinaus ist es an der Zeit die Elternzeitenregelungen an die realen Gegebenheiten anzupassen und auszuweiten. Unsere Bundestagsfraktion hat hier bereits mit ihrer Familienzeit Plus und Kinderzeit Plus Modelle entwickelt. Man braucht eben nicht zwingend die ersten 14 Monate Zeit für sein Kind und danach nie wieder. Ebenso ist denkbar, dass es eine Phase der Familienzeit rund um die Einschulung beispielsweise gibt. Oder wer Mal ein Kind in einen Kindergarten eingewöhnt hat, weiß, dass das nicht mal eben mit dem Jahresurlaub erledigt werden kann.

Darüber hinaus stellt sich nach der Einführung der „Ehe für Alle“ die Frage der Neudefinition des Familienbegriffs. Denn viele Familien entsprechen nicht der klassischen Vater, Mutter, Kinder-Konstellation und viele Familien fallen deshalb bei den familienpolitischen Rahmenbedingungen schlichtweg durchs Raster. Wenn Sie also familienpolitische Wahlfreiheiten schaffen wollen, ist ein Landeserziehungsgeld keine Antwort auf die derzeit drängenden Fragen. Da müssen Sie andere und viel grundlegendere Antworten geben.

 

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