Rede Helge Limburg: Gesetzentwurf (GRÜNE/FDP) zur Stärkung der Rechte parlamentarischer Minderheiten

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

die Landtagswahl 2017 in Niedersachsen hat eine Regierungskoalition im Niedersächsischen Landtag hervorgebracht, die in ihrer Übermacht eine Ausnahme darstellt. Diese Übermacht der Großen Koalition zusammen mit dem inhaltlich sehr weiten Spektrum der Opposition führt dazu, dass die in einer parlamentarischen Demokratie so wichtige Kontrolle der Regierung durch die Opposition de facto ins Leere zu laufen droht. Denn die Quoren für wichtige parlamentarische Instrumente – das Recht auf Akteneinsicht in die Akten der Regierung zu einem Vorgang zu bekommen, das Recht zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses um Vorgänge in der Regierung intensiver und systematischer untersuchen zu können und schließlich das Recht zu einem Normenkontrollverfahren, also das Recht, ein Landesgesetz vom Staatsgerichtshof in Bückeburg auf seine Vereinbarkeit mit der Verfassung überprüfen zu lassen – diese Rechte sind abhängig vom Erreichen des Fünftel-Quorums, also eines Fünftels der Mitglieder des Landtages. Und dieses Fünftel wird real in der derzeitigen Konstellation von der Opposition eben nicht erreicht werden. Nun könnte man sich zurücklehnen und sagen: Pech gehabt, hat der Wähler halt so gewollt, kann die Regierung mal ohne Kontrolle machen was sie will. Nein, ich bin mir sicher, so etwas hat die ganz große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler mit Sicherheit nicht gewollt. Ich bin mir sicher, die große Mehrheit der Menschen in Niedersachsen weiß unser System mit Regierung und Opposition, Macht und Kontrolle, zu schätzen. Es ist die Existenz einer Opposition, ausgestattet mit effektiven Kontrollrechten, die den Unterschied zwischen einem totalitären Staat und einer liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie ausmacht. „Regiert wird überall auf der Welt, von wem und unter welchen Bedingungen auch immer. Was ein politisches System als Demokratie qualifiziert, ist nicht die Existenz einer Regierung, sondern die Existenz eines Parlamentes und seine gefestigte Rolle im Verfassungsgefüge wie in der politischen Realität.“ Das sagte Herr Nacke in der vergangenen Wahlperiode in diesem Hause. Und weiter: „Aber Opposition kann eben nur funktionieren, wenn sie feste Rechte hat. Minderheitenrechte eben. Eine Mehrheit in einem Parlament kann eben nicht machen, was sie will!“ Richtig Herr Nacke. Und darum müssen diese Minderheitenrechte festgeschrieben werden, damit die Große Koalition eben nicht machen kann, was sie will.

Ein Argument der Gegner einer Verfassungsänderung, das öffentlich wiederholt vorgetragen wurde, war, dass man eine Verfassung nicht an tagespolitische Gegebenheiten anpassen dürfe. Das eine Verfassung länger Bestand haben müsse. Dem kann ich ja durchaus grundsätzlich etwas abgewinnen. Aber die Ausdifferenzierung des politischen Systems ist nach aller Wahrscheinlichkeit keine tagespolitische Erscheinung, sondern wird voraussichtlich länger und dauerhafter anhalten. Darauf müssen auch die Strukturen politischer Kontrolle angepasst werden. Und zum anderen ist es ja nicht so, dass die Große Koalition Verfassungsänderungen immer und überall ablehnen würde. Es ist der CDU-Finanzminister, der unbedingt die seit 1993 existierende und bewährte Regelung zur Begrenzung der Neuverschuldung in der Verfassung durch ein Verbot der Nettokreditaufnahme - genannt „Schuldenbremse“ – ersetzen möchte. Wo sind da ihre grundsätzlichen Bedenken von SPD und CDU gegen eine Anpassung der Verfassung an diese tagespolitischen Überlegungen ihres Finanzministers? Wenn sie konsequent wären, hätte eine solche Änderung der Verfassung nicht im Ansatz eine Chance.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

ich bin Optimist. Und das auch in dieser Frage. Der Ministerpräsident und der stellvertretende Ministerpräsident haben öffentlich ihr Wort gegeben, dass sie die Minderheitenrechte im Parlament stärken wollen. Die parlamentarischen Geschäftsführer von SPD und CDU haben sich ähnlich geäußert. Meine Herren, sie haben mir bislang keinen Anlass gegeben, daran zu zweifeln, dass ihr Wort gilt. Lassen sie auch in dieser Frage keinen Zweifel daran aufkommen. Der gemeinsame Vorschlag von Grünen und FDP für eine Verfassungsänderung liegt nun vor. Wir haben damit eine konkrete Grundlage für unsere Gespräche. Wir halten eine Anpassung der Landesverfassung für richtig und angemessen. Aber klar ist, dass wir auch für andere Vorschläge offen sind, die effektive Oppositionsarbeit in gleicher Weise sicherstellen. Aber lassen sie uns zeitnah zu einer Lösung finden. Damit dieses Parlament weiterhin so kraftvoll seiner Aufgabe gerecht werden kann braucht ihre Große Koalition eine wirkmächtige Opposition!

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