Rede Helge Limburg: Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes

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- Es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

heute werden wir mit dem neuen niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz eine Gesetzesberatung abschließen, die in dieser Gründlichkeit, Umfang und Dauer Seltenheitswert hat. Darum gilt an dieser Stelle zunächst mein Dank an alle Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die sich in den letzten 2 Jahren sehr konstruktiv in die Beratungen eingebracht haben. Mein Dank gilt natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des GBD und der Landtagsverwaltung für ihre exzellente Zuarbeit sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung für die konstruktiven Debatten und Beratungen.

Mein Dank geht aber auch an die Task Force zu den Datenspeicherungen beim Verfassungsschutz und an die Arbeitsgruppe zur Reform, die der Herr Innenminister eingesetzt hat. Beide Gruppen haben ehrenamtlich hervorragendes geleistet und wichtige Reformvorschläge erarbeitet. Schließlich gilt es den Expertinnen und Experten und dem Personalrat des Verfassungsschutzes zu danken, die sich in der umfangreichen Anhörungen ebenfalls mit zahlreichen Vorschlägen eingebracht haben.

Im Ergebnis lässt sich ohne Übertreibung festhalten: Wir bekommen heute das modernste Verfassungsschutzgesetz Deutschlands.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass im Laufe der Ausschussberatungen tatsächlich jeder Paragraf des geltenden Gesetzes angefasst wurde. Das führt ganz praktisch zu einer größeren Übersichtlichkeit und Verständlichkeit des Gesetzes. Die zahlreichen Buchstabenparagrafen sind jetzt gestrichen. Es führt aber auch zu einer tiefgreifenden und substantiellen Erneuerung des gesamten Gesetzes. Und das war auch dringend notwendig.

Meine Damen und Herren,

mit diesem Gesetz schaffen wir eine klarere, engere Definition des Gewaltbegriffs. Zukünftig kann nicht jede Farbschmiererei oder einfache Sachbeschädigung als Gewalt und damit als Fall für den Verfassungsschutz eingestuft werden und das ist richtig so.

Wir regeln erstmals in Deutschland klar die verschiedenen Phasen der Beobachtung. Wir legen ausdrücklich die Unterscheidung zwischen Verdachtsgewinnungs-, Verdachts- und Beobachtungsphase mit jeweils unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten und Eingriffstiefen fest.

Wir verbessern bei der Datenerhebung den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Die Löschung und Überwachung wird zukünftig durch einen besonders bestellten Aufsichtsbeamten durchgeführt und wir verbessern den Schutz für Berufsgeheimnisträger.

Wir stärken den  Schutz von Minderjährigen. Ursprünglich war geplant, wie es auch in anderen Ländern der Fall ist, das Beobachtungsalter auf 16 Jahre anzuheben. Die jetzige Regelung ist ein Kompromiss, natürlich als Reaktion auf den Fall Safia S. und ihr schreckliches Verbrechen. Der Rechtsstaat muss auf solche Verbrechen reagieren, er darf aber nicht überreagieren, meine Damen und Herren! In erster Linie müssen Minderjährige ein Fall für Präventionsarbeit und Sozialpolitik sein. Aber im Einzelfall wird es eben nach unserer Regelung auch zukünftig möglich sein, 14- und 15jährige zu beobachten. Die Haltung der CDU dazu war erwartbar, sie wollten schon früher möglichst weitgehend und unkontrolliert speichern und beobachten dürfen. Die Haltung der FDP ist schlicht enttäuschend. Während sie an anderen Stellen so tun, als wollten sie mitwirken beim Ringen um einen sachlichen Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit, stimmen sie hier ein in den Chor der reflexhaften Gesetzesverschärfer, den wir in den letzten Jahren nach jeder schlimmen Straftat im In- oder Ausland zu hören bekamen.  Immerhin sind die Zeiten des synchronen Grundrauschens der Innenminister Schäuble und Schünemann vorbei mit ihren oft verfassungswidrigen und stets abenteuerlichen Gesetzesvorschlägen zur Öffentlichen Sicherheit. Dafür fällt die FDP in Niedersachsen als Bürgerrechtspartei leider aus. Für den ausgewogenen Ausgleich von Freiheit und Sicherheit fühlen sind in Niedersachsen nur SPD und Grüne verantwortlich.

Meine Damen und Herren, Gefahrenabwehr kennt keine Altersgrenze. Und das ist auch richtig so. Aber: Gefahrenabwehr ist in allerster Linie Aufgabe der Polizei, und auch das ist richtig so. Am Trennungsgebot sollten und dürfen wir nicht rütteln, auch wenn die CDU dieses wichtige Verfassungsgebot immer wieder in Frage stellt. Rot-Grün steht zu den Lehren aus unserer Geschichte, wir stehen zum Trennungsgebot.

Wir streichen den so genannten Großen Lauschangriff. Dazu hatte Schwarz-Gelb nie die Kraft. Wir schützen die Wohnungen der Menschen in Niedersachsen besser vor Überwachung.

Das Gesetz enthält klare Regeln für den Einsatz von V-Leute. Zukünftig dürfen Täter schlimmster Straftaten ebensowenig als V-Leute angeworben werden, wie solche Personen, die ihren wesentlichen Lebensunterhalt als Spitzel verdienen. Auch gilt künftig der Vorrang: Ausstieg vor Informationsbeschaffung. Wer ausstiegswillig ist, der darf nicht, wie in anderen Ländern geschehen, vom Nachrichtendienst zum „Drinbleiben“ in der verfassungsfeindlichen Szene bewegt werden, damit Informationen gesammelt werden können.

Wir führen das Verbot ein, dass Kreditinstitute und andere den Betroffenen von Auskunftsverlangen allein deshalb Verträge kündigen oder andere Nachteile zufügen. Auch das wirkt vorzeitiger Stigmatisierung entgegen. Auch diesem Gedanken, den sogar der Bund geregelt hat, sind Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in ihrer Regierungszeit nie näher getreten, obwohl die Forderungen dazu unter anderem von uns Grünen eingebracht wurden. Auch hier stärkt das Gesetz den Schutz der Bürgerrechte.

Das Gesetz enthält engere Überprüfungsfristen für die Speicherung von Personendaten. Auch das ist natürlich eine Konsequenz aus den skandalösen Datenspeicherungen in der Amtszeit von Uwe Schünemann, den die Task Force aufgedeckt hat.

Wir stärken Auskunftsrechte und Berichtspflichten an Betroffene und an den Ausschuss für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und erhöhen auch so die Transparenz. Zukünftig gilt: Soviel Transparenz wie möglich, soviel Vertraulichkeit wie nötig.

Wir stärken die Rolle der G-10-Kommission. Zum Beispiel muss diese bei längerfristigen Observationen oder auch bei V-Mann-Einsätzen oder dem Einsatz verdeckter Ermittler vorab zustimmen. Bei ihnen waren längerfristige Observationen noch völlig ungeregelt. Dieser unhaltbare Zustand endet mit diesem Gesetz.

Meine Damen und Herren,

schließlich stärken wir die Rolle der Landesdatenschutzbeauftragten und die parlamentarische Kontrolle deutlich. Es gibt die Möglichkeit, sich im Ausschuss durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen lassen, es gibt mehr Unterrichtungspflichten, es gibt die Möglichkeit, einen Sachverständigen beauftragen zu lassen. Das sind wichtige Fortschritte. Dass Herr Dr. Birkner kritisiert, dass der Sachverständige nicht von einem Fünftel der Ausschussmitglieder beauftragt werden kann, mag aus Sicht einer kleineren Fraktion verständlich sein. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sie selbst sich in ihrer Regierungszeit einem solchen Instrument grundsätzlich verschlossen haben. Insofern sollten sie unseren Schritt als deutlichen Fortschritt anerkennen. Die gleichlautende Regelung im Bund hat in der Praxis gezeigt, dass es eben auch bei einem Zweidrittelquorum zum Einsatz eines Sachverständigen kommt, Jerzy Montag, der rund um den NSU ermittelt hat, ist dafür ein gutes Beispiel. Gleichzeitig wird verhindert, dass sich im Extremfall fünf Sachverständige mit demselben Sachverhalt befassen.

Mehr parlamentarische Kontrolle, engere Prüffristen, gleichzeitig Regelung der Internetaufklärung, Heraufsetzung des Beobachtungsalters, gleichzeitig Ausnahmen bei Verdacht auf schwere Straftaten, engere Regelungen für V-Leute, Streichung des Großen Lauschangriffs, klarere Regelung der Beobachtungsphasen, differenzierte und technisch angepasste Beobachtungsphasen – wir bekommen für unseren gut aufgestellten Verfassungsschutz das modernste Verfassungsschutzgesetz Deutschlands. Ich freue mich auf die Verabschiedung gleich.

Beschlussempfehlung Drs. 17/6365

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