Rede Helge Limburg: Aktuelle Stunde (AfD) zu Abschiebungen

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

es gibt gegenwärtig eine bundesweite Kampagne „Rettungsgasse rettet Leben“ die auf die Notwendigkeit des Bildens von Rettungsgassen auf Autobahnen hinweist. Es gab immer wieder Kampagnen für mehr Blutspenden „Blut, bzw. Blutspende rettet leben.“  Indem sie von der AfD nun bewusst das Thema Abschiebungen sprachlich in diesen Kontext stellen und Abschiebungen damit quasi mit Blutspenden und Rettungseinsätzen gleichsetzen, beweisen Sie den ganzen Zynismus, der ihr politisches Handeln durchdringt. Es geht ihnen nicht darum Leben zu retten, es geht ihnen wiedermal um spalten, ausgrenzen, stigmatisieren, dass wird ihnen auch diesmal nicht gelingen, die überwältigende Mehrheit in diesem hohen Hause, aber auch die überwältigende Mehrheit der Menschen in Niedersachsen lehnt ihre Parolen und ihre Ideologie ab, und das wird auch so bleiben.

Das Thema Abschiebungen ist ein kein leichtes. Und schon gar nicht eignet es sich für kraftmeiernde Parolen. Wer sich vorstellt, wie viel Menschen auf sich nehmen, um ihre ursprüngliche Heimat zu verlassen, häufig unter Lebensgefahr und unter elenden Bedingungen unterwegs sich aufmachen, um nach Deutschland zu kommen um hier eine neue Heimat zu finden, wer sich das vorstellt, der kann sich auch vorstellen, wie hart, wie niederschmetternd es für diese Menschen ist hier gesagt zu bekommen, du darfst nicht bleiben, du musst zurück und notfalls schicken wir dich mit Gewalt dahin zurück. Das ist ein tiefer Einschnitt, auch in den Fällen, in denen es letztlich der Rechtslage entspricht. Diese Fragen sollten im liberalen demokratischen Rechtsstaat stets mit Anstand und Respekt auch vor den Menschen ohne Bleiberecht geführt werden.

Übrigens bleiben Abschiebungen im Regelfall nicht etwa aus politischem Unwillen aus, sondern weil Gerichte Abschiebungen für unrechtmäßig erklären und stoppen. Auch das, das Primat des Gesetzes und die Entscheidungen unabhängiger Gerichte, gehören zum Rechtsstaat und müssen respektiert werden. Debatten um Abschiebequoten oder einen Abschiebeüberbietungswettbewerb und ähnliches, wie sie auch aus den Reihen der CDU bisweilen angezettelt werden, sind völlig deplatziert und werden dem Thema überhaupt nicht gerecht.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

es zeichnet ja diesen Innenminister durchaus aus, dass er sich in der letzten Wahlperiode zwar wie so viele andere Innenminister ebenfalls durch das Thema Abschiebungen profiliert hat, nur eben andersrum. Von Boris Pistorius als rot-grünem Innenminister gab es keine markigen Sprüche zum Thema Abschieben, keine plumpen Parolen und Stimmungsmache, sondern einen von Respekt vor allen Menschen getragenen Debattenstil. Es liegt an ihnen, Herr Innenminister, jetzt auch in Zusammenarbeit mit ihren neuen Freunden von der CDU und ihrem neuen Partner Herrn Schünemann zu beweisen, dass sie ihrer Linie treu bleiben und hier nicht den von der CDU eingeforderten Schwenk vornehmen. Ich hoffe, sie haben die Kraft sich da gegen den Koalitionspartner durchzusetzen.

Es gab natürlich auch intensiv debattierte Abschiebungen von zwei Gefährdern aus Göttingen. Und das ist schon ein besonderer Fall. Das sind Menschen, die bei uns in Deutschland aufgewachsen sind, sie haben sich hier radikalisiert. Und dann werden sie, ohne dass sie eine Straftat begangen hätten, abgeschoben. Eben weil man genau eine solche Straftat hier in Deutschland verhindern will. Wir Grünen haben das damals mitgetragen und ich will das auch jetzt nicht nachträglich kritisieren, aber es ist mir wichtig zu betonen: Das war ein Ausnahmefall und es muss ein Ausnahmefall bleiben. Es kann und darf nicht die Regel werden. Im Grundsatz müssen wir als Gesellschaft schon selbst Verantwortung für die übernehmen, die sich unter uns radikalisieren und ihnen hier mit unseren Sicherheitsmaßnahmen und Präventionsprogrammen begegnen. Denn was passiert mit Abgeschobenen? Werden sie dort in Empfang genommen, betreut und in die Gesellschaft integriert? Oder freut sich beispielsweise in Nigeria die islamistische Terrorgruppe Boko Haram über jeden abgeschobenen Islamisten, der ihre Reihen verstärkt, der für sie und ihren Wahn kämpft und Anschläge begeht? Wir reden hier oft über die Bekämpfung von Fluchtursachen. Der frühere Landtagspräsident Busemann hat hier mal sehr würdig den Opfern von Boko Haram gedacht. Und in diesem Kontext kann es uns doch nicht gleichgültig sein, den Terrorgruppen in Nigeria und anderswo quasi indirekt neue Mitglieder zuzuführen. Wir brauchen international koordinierte Maßnahmen gegen Radikalisierung und Terrorismus und keine nationalen Debatten zur Selbstvergewisserung, wenn wir echte Sicherheit erreichen wollen.

Ein letztes Wort noch zur AfD: Gestern ist eine rechtsextreme Terrorgruppe unter anderem in Niedersachsen aufgeflogen. Es gab den Nationalsozialistischen Untergrund „NSU“, es gab die Terrorgruppen Old School Society und Terrorgruppe Freital, es gab das Terror-Netzwerk um den Bundeswehrsoldaten Franco A., es gab den rechtsextremen Daniel H. der in München ein Massaker verübte, es gab den Brandanschlag auf ein geplantes Flüchtlingswohnheim in Barsinghausen und auf ein Wohnheim in Salzhemmendorf. Diese Taten und Bedrohungen kamen von Deutschen, kamen von Täterinnen und Tätern von hier. Über 190 Menschen sind in Deutschland seit 1990 durch rechtsextreme Täter getötet worden. Diese Bedrohungen sind in Wirklichkeit die Hauptbedrohung für unsere Sicherheit und unser Leben. Aber zu diesen Taten und Bedrohungen schweigen sie von der AfD. Das ist entlarvend, meine Damen und Herren.

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