Rede Heiner Scholing: Vollverschleierung in Schulen - Änderung Nds. Schulgesetz

Die zentrale Frage ändert sich nicht: Wie bekommen wir vollverschleierte Mädchen aus der Burka? Und nicht: Wie bekommen wir sie aus der Schule?

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede,

der heutigen Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs zur Änderung des Schulgesetzes ist eine lange, teilweise sehr erhitzt geführte Debatte vorausgegangen.

Ausgangspunkt war der Fall einer Schülerin in Belm. Von ihr bekannt geworden war, dass sie bereits seit mehreren Jahren im Unterricht einen Niqab getragen hat.

Dass es in mehreren anderen Fällen gelungen war, vollverschleierten Mädchen erfolgreich Wege zu ebnen, die Vollverschleierung abzulegen, fand in der Argumentation keine Beachtung.

Diese Debatte, die die Opposition hier ins Hause getragen hat, trug zeitweise hysterische Züge. Um eine ganz einfache Frage ging es viel zu wenig: Wie bekommen wir Mädchen aus der Burka? Ein Einzelfall wurde instrumentalisiert. Höhepunkt dieser Debatte war schließlich, die Ministerinnenanklage gegen die Kultusministerin zu beantragen. Um eine sachliche Debatte und um das Lösen von Problemen ging es mal wieder nicht, sondern vor allem um den Klamauk.

Anrede,

Man kann zu Recht fragen, ob ein einzelner Fall ein ausreichender Anlass sein kann, um ein Gesetz zu ändern.

Wir haben uns nach langer interner Debatte entschieden, diese Gesetzesänderung mitzutragen.

Wir haben das getan, um den Schulen Rechtssicherheit zu geben und eine klare Norm zu setzen:

Wir brauchen in der Schule eine offene Kommunikation. Anders kann guter Unterricht nicht gelingen. Und zu offener Kommunikation gehört eben auch, dass man sich gegenseitig ins Gesicht sehen kann. Kommunikation ist selbstverständlich mehr als Sprache.

Es wird aber auch in Zukunft eine pädagogische Herausforderung für die Schulen sein, diese Norm auch umzusetzen.

Es werden in erster Linie pädagogische Maßnahmen sein, mit denen wir Mädchen bewegen können, auf eine Verschleierung des Gesichtes zu verzichten, und nicht Sanktionen wie Ordnungsmaßnahmen oder gar Schulverweise. Denn wir wollen ja gerade erreichen, dass wir alle Schülerinnen und Schüler in eine offene Kommunikation einbeziehen, und das geht nicht, indem wir sie gänzlich davon ausschließen.

Die zentrale Frage ändert sich nicht:  Wie bekommen wir vollverschleierte Mädchen aus der Burka? Und nicht: Wie bekommen wir sie aus der Schule?

Dafür brauchen Schulen Unterstützung und einen geschützten Raum. Und sie brauchen keine Skandalisierung von Einzelfällen, die sie in ihrer pädagogischen Arbeit behindern.

In unserer Fraktion sind wir zunächst einmal davon ausgegangen, dass die bisherige Regelung des §58 ausreicht. Ein von der Staatskanzlei in Auftrag gegebenes Gutachten hat mich klüger gemacht. Das Gutachten wägt sehr sorgfältig zwischen zwei Rechtsgütern ab:

Der staatliche Bildungsauftrag und die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Religionsausübung.

In der Argumentation des Gutachters erfordert dieser Ausgleich eine Positionierung des Gesetzgebers.

In der Anhörung war eine breite Zustimmung herauszuhören. Allerdings kritisierten einige Anzuhörende, dass die Formulierung des Gesetzes nicht eindeutig genug sei.

Im Gutachten selbst finden sich dazu an mehreren Stellen Hinweise.

So auf Seite 31

Nicht geboten dagegen ist, ein konkretes Verhalten gesetzlich anzusprechen. Eine Reglung, die etwa anordnet, ‚Verhüllungen des Gesichts sind unzulässig’, ist normativ überbestimmt und gleichzeitig rechtstaatlich bedenklich.

Das die Angehörten sich nicht vollumfänglich mit der Argumentation des Gutachters auseinandergesetzt haben, ist verständlich. Dass die Opposition allerdings auf diese Argumentation der Kritiker draufspringt, zeigt entweder, dass die Argumentation des Gutachters nicht verstanden wurde oder aber dass die Debatte ein weiteres Mal instrumentalisiert werden.

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