Rede Heiner Scholing: Gesetzentwurf (CDU) zur Förderschule Lernen

-  Es gilt das gesprochene Wort - 

Ich habe starke Zweifel, dass sich die Damen und Herren der jetzigen Oppositionsfraktionen 2012 der Tragweite bewusst waren, als sie dem Gesetz zur inklusiven Schule zugestimmt haben.

Wussten Sie wirklich, wie groß die Aufgabe ist?

Hatten Sie eine Ahnung über die Voraussetzungen, die gegeben sein müssen?

Wussten Sie, dass Inklusion weit mehr meint, als die gemeinsame Beschulung von beeinträchtigten und nicht-beeinträchtigten Schülern?

Und jetzt stellen Sie die Wahlfreiheit in den Vordergrund.

Was für eine Verdrehung!

Ja, bei der Einführung der inklusiven Schule ging es um die Wahlfreiheit. Es galt, endlich die Diskriminierung zu beenden, der Eltern und ihre Kinder ausgesetzt waren. Das Recht auf eine gemeinsame Beschulung wurde festgeschrieben. Ohne wenn und aber – ohne Vorbehalte!

Das war der Kontext, in dem über Wahlfreiheit debattiert wurde. Was Sie jetzt mit dem Verweis auf die Wahlfreiheit veranstalten, konterkariert ihre Zielsetzungen von 2012 komplett.

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit:

1999 hat die damalige Landesregierung eine Rahmenplanung für die Fortführung der Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf vorgelegt.

Dort heißt es:

Der langjährig gültige Grundsatz, dass Schülerinnen und Schüler den Ort der Hilfe, nämlich die Sonderschule, aufsuchen, wird nun allmählich umgekehrt:
Die Hilfe kommt zu den Kindern in die allgemeine Schule!

1999, meine Damen und Herren!

Konkret hieß es in dieser Rahmenplanung, dass dort, wo die sonderpädagogische Grundversorgung eingeführt wurde, die Förderschule Lernen im Primarbereich auslaufen solle.

In etwa der Hälfte der Landkreise wurde dieser Weg beschritten. Da war es 2012 folgerichtig, dieses Auslaufen der Förderschule Lernen landesweit verbindlich festzulegen.

Und genauso folgerichtig war es, 2015 zu beschließen, dieses Auslaufen in der Sek I fortzusetzen.

Ihr Gesetzentwurf macht deutlich an welchem Punkt wir jetzt stehen:

Ausbremsen oder weiterentwickeln.

Sie entscheiden sich für das Ausbremsen. SPD und Grüne entscheiden sich für Weiterentwicklung.

Schulen müssen mit vielfältigen Herausforderungen umgehen.

  • Kinder mit Entwicklungsverzögerungen,
  • hochbegabte Kinder,
  • Kinder mit Migrationshintergrund,
  • Kinder mit motorischen Einschränkungen,
  • Kinder in schwierigen sozialen Situationen,
  • Kinder, die Hilfen brauchen, sich in sozialen Situationen angemessen zu verhalten.

Dies kann nur in inklusiven Schulen gelingen.

In zahlreichen Debatten höre ich, dass wir den Schonraum der Förderschulen noch weiter brauchen würden. Dazu ist in Bezug auf die Förderschule Lernen zu sagen, dass diese Schulform keineswegs ein Schonraum war und ist.

Es hat Konsequenzen, wenn es das gemeinsame einer Lerngruppe ist, an anderen Schulen keinen Platz zu haben.

Und es ist unehrlich, immer wieder auszublenden, dass der Bedarf, den Doppelstrukturen verursachen, nicht gedeckt werden kann.

Wir übersehen nicht, dass Inklusion zu einem strittigen Thema geworden ist. Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich überfordert und nicht genügend unterstützt, Eltern sind unzufrieden.

Kennzeichnend für den derzeitigen Entwicklungsstand ist aber auch, dass über gelungene Entwicklungen wenig gesprochen wird.

Es gibt im Land viele ermutigende Beispiele.

Wir wissen, dass die Entwicklung der inklusiven Schule einen Paradigmenwechsel darstellt.

Und wir wissen, dass die Entwicklung Ressourcen braucht. Durch pädagogische Fachkräfte werden wir die Multiprofessionalität der Schulen stärkenn.

Wir wissen, dass die Entwicklung Zeit, Haltung, abgestimmte Maßnahmen, Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten und immer wieder Nachsteuerung braucht.

Nicht ausbremsen, wie es ihr Gesetzentwurf vorsieht – Weiterentwicklung! Das braucht die inklusive Schule!

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