Rede Filiz Polat: Gesetz über die Pflegekammer Niedersachsen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin,

„Pflegekammer in Niedersachsen in greifbarer Nähe“, so heißt es auf der Informationsplattform des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK). Ja, Anrede und verehrte Gäste und Mitstreiter*innen, alle guten Dinge sind drei - es ist soweit – nach Schleswig und Rheinland-Pfalz beschließen wir heute die gesetzliche Grundlage zur Errichtung einer Pflegekammer in Niedersachsen.

Seit über 20 Jahren engagieren sich Pflegekräfte, der niedersächsische Pflegerat, Verbände wie der DBfK (Marita Mauritz) oder der Förderverein Pflegekammer - namentlich möchte auch ich hier Frau Skibicki erwähnen - für deren Gründung.

Vor allem im letzten Jahr hat die Diskussion um die Pflegekammer deutlich an Fahrt aufgenommen. Wir haben zahlreiche Gespräche geführt und viele Zuschriften erhalten, positive wie negative. Eine große Fachanhörung durchgeführt. Und eines wurde mal wieder sehr deutlich: der Großteil der Gegner*innen und Gegner setzte sich aus Organisationen und Verbänden zusammen, die nicht die Pflegekräfte vertreten, sondern vielmehr ihre Arbeitgeber*innen sind.

Und Frau Skibicki hat es in einem Leserbrief wirklich auf den Punkt gemacht: „Seit dem die Errichtung einer Pflegekammer in den Bereich des Möglichen rückt, haben Arbeitsgeberverbände und Gewerkschaften ihr Herz für die desolate personelle Ausstattung in Altenheimen und Krankenhäusern entdeckt.“

Natürlich haben wir auch zahlreiche Petitionen von Pflegekräften erhalten, die gegen eine Zwangsmitgliedschaft sind. Aber eines ist doch unstreitig, dass der Eingriff in Artikel 2 (1) des Grundgesetzes deshalb verhältnismäßig sein muss.

Anrede,

Mit der erstmaligen „Verkammerung“ der Berufsgruppe, die überwiegend abhängig beschäftigt sind, betreten wir in verfassungsrechtlicher Hinsicht „Neuland“.

Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat deshalb die Verfassungsmäßigkeit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eingehend begutachtet. Wichtig vielleicht hier an dieser Stelle zu erwähnen, dass für die verfassungsrechtliche Prüfung - laut GBD - die von der vorherigen Landesregierung durchgeführte Befragung keine Relevanz für den Grundrechtsschutz bzw. -eingriff des Einzelnen hat.

Entscheidend sind vielmehr die Regelungen zu den Berufspflichten (§23/24) und die Höhe des Kammerbeitrages.

Den Kammerbeitrag, Anrede, legen die Kammermitglieder selbst fest.

Es liegt nun an den Pflegekräften, diese Kammer mit Leben zu füllen, die skeptischen Kolleginnen und Kollegen von den Vorteilen zu überzeugen und eine starke berufsständische Vertretung auf den Weg zu bringen.

Meine Fraktion ist der festen Überzeugung, dass das gelingen wird. Die Pflegekammer Niedersachsen wird eine der größten berufsständischen Vertretung Deutschlands werden.

Anrede,

Die Kammer wird einen entscheidenden Beitrag dazu leisten,

die Pflege zu einem der attraktivsten Berufe in Niedersachsen zu machen,

selbstbewusst seine Angelegenheiten selbst zu regeln und

seine Interessen eigenständig zu vertreten, wie es für andere Professionen im Gesundheitswesen seit Jahrzehnten selbstverständlich ist.

Anrede,

im Zuge der Beratungen haben wir uns für einige Änderungen am Gesetzentwurf stark gemacht: wir haben eine Meldeverpflichtung für Arbeitgeber aufgenommen, wir haben das Wahlverfahren zur Kammerversammlung modifiziert und wir haben die Höhe der möglichen Ordnungsgelder verändert.  

Zukünftig wollen wir, dass bei der Vielzahl von Entschließungsanträgen und Gesetzen, die wir beraten, die die Pflege unmittelbar oder mittelbar betreffen, die Pflegekammer mit am Tisch sitzen haben. So wie bspw. bei der Novelle des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes, beim Heimgesetz, beim Maßregelvollzug, beim Thema Dokumentationspflichten, bei der Pflegeausbildung oder aber bei Themen wie der Gesundheitswirtschaft. Die Pflege als größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen war in diesen Prozess nicht angemessen eingebunden. Weil sie nicht über entsprechende Repräsentantinnen und Repräsentanten der ganzen Berufsgruppe verfügt. Das Bild ist jedoch immer wieder das Gleiche: Themen, die die Pflege betreffen, werden maßgeblich von Ärzten, Einrichtungs- und Kostenträgern erörtert.

Anrede,

seit über 100 Jahren fordern Pflegende die Selbstverwaltung ihres Berufes. Agnes Karll definierte bereits 1903 auf der Gründungsversammlung der Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands erstmals das Selbstverständnis des pflegerischen Berufes:

 „Wir, die als selbstständige, selbstverantwortliche Menschen dem Leben gegenüberstehen, sind selbst schuldig, wenn wir nicht die rechtlichen Wege suchen und bahnen helfen, um fähig für unsere Lebensaufgabe zu werden. Wer soll denn unseren Beruf aufbauen, wenn wir es nicht selbst tun. Will die Schwester nicht wie bisher Amboss sein, muss sie schleunigst anfangen, Hammer zu werden und ihr Geschick nicht willenlos aus den Händen anderer zu nehmen, sondern es zu gestalten.“

In diesem Sinne wünschen wir den Pflegekräften und zukünftigen Mitgliedern des Errichtungsausschusses viel Erfolg. Wir bedanken uns bei den Mitgliedern des Gründungsausschusses und allen, die an diesem Prozess mitgewirkt haben und für ihr Interessen so beherzt und ausdauernd eingetreten sind.

Viele Dank.

Beschlussempfehlung  Drs. 17/7005

 

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