Rede Anja Piel: Aktuelle Stunde (FDP) zu Ankerzentren

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

über Jahrzehnte war Niedersachsen ein rettender Anker für Menschen, die vor Krieg, Elend und Verfolgung aus ihrer Heimat geflohen sind. Ein Anker, der ankommenden Menschen Sicherheit, Schutz und Hoffnung geboten hat und bietet. Das galt für die Boat People in den 90ern bis jetzt. Dafür standen Ernst Albrecht, Stephan Weil und auch Boris Pistorius.

Wie wir seit gestern aus der Neuen Osnabrücker Zeitung wissen, konkretisieren sich nun jedoch auch für Niedersachsen die Planungen für die Einrichtung eines Ankerzentrums.

Ein Zentrum mit einem Konzept, das mit Willkommen oder Zuflucht nichts zu tun hat und die symbolische Bedeutung des Ankers auf zynische Weise missbraucht. Tatsächlich reden wir hier von Massenlagern.

Anrede

Lassen Sie uns doch ehrlich miteinander sein:

Eine solche Einrichtung würde einen krassen Kurswechsel in der Migrationspolitik unseres Landes bedeuten.

Rechtsstaatlichkeit und Humanität würden Internierung, Isolierung und Diskriminierung von Schutzsuchenden weichen.

Das A in Ankerzentrum sollte für Ankunft stehen, steht aber in Wirklichkeit für Abschrecken, Abschieben und Abschotten.

In den Ankerzentren sollen bis zu 1500 schutzsuchende Menschen aufgenommen werden und bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag verbleiben.

Seien wir ehrlich: Wir sprechen hier konkret von Monaten

  • ohne sinnstiftende Beschäftigung,
  • ohne die Möglichkeit, unsere Sprache zu erlernen,
  • ohne Schulunterricht für Kinder,
  • ohne ausreichende medizinische Versorgung
  • und auch ohne unabhängige Rechtsberatung.

In Bamberg liefert das dortige Transitzentrum nicht nur die Blaupause für die Ankerzentren, sondern auch erste Eindrücke für die Probleme die damit einhergehen. Fragen Sie mal den dortigen OB Starke, der schon in den Koalitionsverhandlungen von weiteren Zentren abgeraten hat.

Oder die Gewerkschaft der Polizei, die die Lager für ein echtes Sicherheitsrisiko hält. Die Zustände in den Lagern würden erhebliches Aggressions- und Gewaltpotential bergen, so GdP-Chef Oliver Malchow.

Ich glaube ihm.

Der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen bei der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Stefan Heße, hat kürzlich ein Transitzentrum in Manching besucht und sich schockiert über die Zustände und die Vernachlässigung rechtsstaatlicher Grundsätze gezeigt.

Was die Zentren in Bamberg und Manching aber auch zeigen, ist, dass das zumindest vorgebliche Ziel der Zentren, nämlich Asylverfahren zu beschleunigen, überhaupt nicht funktioniert. Nicht einmal ein Prozent der Anträge werden dort im beschleunigten Verfahren behandelt!

Ein Effekt, den wir aus dem Wartezimmer beim Arzt kennen, nur, weil wir da geduldig sitzen, kommen wir trotzdem nicht schneller dran!

Aber nun zur Ausgangsfrage, die die FDP heute dankenswerterweise aufgeworfen hat und die sich in der Tat immer öfter aufdrängt:

Welcher Innenminister entscheidet das jetzt eigentlich?

Sehr geehrter Minister Pistorius,

gestern haben Sie hier auf meine Frage, ob es Planungen für ein Ankerzentrum in Bramsche und Bad Fallingbostel gibt, geantwortet, dass es bisher keine Anfrage und keine konkreten Vorgaben aus Berlin gibt.

Eine klare Absage hört sich anders an!

Die beiden Möchtegern-Innenminister Schünemann und Toepffer laufen sich gleichzeitig zu Seehofers Wahlkampfhelfern warm. Sie bejubeln die Ankerzentren mit kindlicher Begeisterung und bieten Ihnen, Herr Minister, mit anmaßender Großmütigkeit ihre Unterstützung bei der Suche nach einen geeigneten Standort an.

Meine Fragen an die begeisterten Kollegen. Herr Toepffer, Herr Schünemann - ich gehe davon aus, dass Sie schon bei einem Ortstermin Erfahrungen gesammelt haben -

Ist das eigentlich mit Ihren SPD-Kollegen aus den Wahlkreisen Bramsche und Walsrode besprochen?               

Und haben Sie denen auch erklärt, dass es Bundesheimatminister Seehofer ist, der seine bayerischen Abschiebelager deutschlandweit zum Standard machen will und sich von Niedersachsen offenbar ein großkoalitionäres Entgegenkommen auf dem kurzen Dienstweg erhofft.

Herr Pistorius!

Behalten Sie Seehofer, Schünemann und Toepffer im Auge, denn denen mangelt es in dieser Sache offenbar nicht an Aktionismus, aber am klaren Urteilsvermögen!

Lassen Sie sich nicht für den bayerischen Wahlkampf verheizen. Hier in Niedersachsen ist die SPD die stärkste Kraft. Setzen Sie sich dafür ein, das wir hier in Niedersachsen keine Massenlager bekommen!

Vielen Dank.

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