Meta Janssen-Kucz: Rede zur Einsetzung einer Enquetekommission (Antrag SPD/CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

seit ich diesem Parlament angehöre, haben wir hier häufig mit breiter Mehrheit verschiedenste Initiativen verabschiedet, um die medizinische Versorgung in Niedersachsen zu verbessern.

Wir haben bspw. die Gesundheitsregionen eingeführt, verschiedene Förderprogramme und Pilotprojekte auf den Weg gebracht, z.B. in der Telemedizin oder das Patientenmobil, das Menschen zum nächsten Facharzt und wieder zurückbringt.

Wir haben den Aufbau der European Medical School EMS in Oldenburg auf den Weg gebracht und mehr Studienplätze für Medizin und in der klinischen Ausbildung. Dazu kommt die Erhöhung der Investitionsmittel für unsere Krankenhäuser aus der rot-grünen Regierungszeit, die von rot-schwarz jetzt fortgeschrieben wird.

Wir haben in den letzten Monaten verschiedene Gesetze beschlossen, die das Gesundheitswesen in Niedersachsen weiterentwickeln werden.

Dazu gehören das Bestattungsgesetz, das Krankenhausgesetz und das Ausführungsgesetz zur Transplantation. In diesen Gesetzen ging es vor allem darum für mehr Qualität, Prävention und Kontrolle in unseren Krankenhäusern und damit um mehr Patientensicherheit und Vertrauen in unser Gesundheitssystem zu sorgen.

Anrede,

in all unseren Beratungen haben wir aber auch immer wieder Grenzen aufgezeigt bekommen.

Teilweise lag die Gesetzgebungskompetenz nicht beim Land, sondern beim Bund, oder wir waren wie beim "Sicherstellungsauftrag" für die ärztliche Versorgung nicht zuständig. Denn der liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Und wir leiden seit Jahren unter der unsäglichen Bedarfsplanungsrichtlinie des Bundes, die es uns nahezu unmöglich macht, mehr niedergelassene Ärzte zu gewinnen.

Anrede,

das macht deutlich, dass die Einsetzung einer Enquete Kommission zur "Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen - für eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung" ein guter Weg sein kann notwendige Lösungsansätze und Gestaltungsoptionen zu erarbeiten.

Das Deutsche Gesundheitssystem gilt als eines der komplexesten weltweit: wir haben eine Vielzahl von Einrichtungen, Strukturen, Akteuren (und damit auch Interessen!), rechtlichen Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten. Dazu kommen die vielen regionalen Unterschiede.

Anrede,

unsere Bürger*innen, die alle dieses Gesundheitssystem nutzen, sind die größte Interessengruppe. Deshalb gilt es vor allem, das System auf ihre Bedürfnisse einzustellen.

Bei der Nutzung unseres Gesundheitssystems kann jede*r von uns Beispiele aus eigener Erfahrung beitragen, an welchen Stellen Handlungsbedarf besteht. Wahrscheinlich hat jede*r von uns schon einmal einen Samstagabend in einer Notaufnahme verbracht und anschließend noch die nächste Notdienst-Apotheke gesucht.

Handlungsbedarf bestehet aber auch ganz objektiv. Z.B. in der Krankenhausstruktur und -finanzierung, in der medizinischen und pflegerischen Versorgung im ländlichen Raum, in der Notfallversorgung, der Geburtshilfe oder den therapeutische Berufen. Und wir müssen viel mehr sektorenübergreifend denken und handeln.

Anrede,

ich erinnere in diesem Kontext an die Schlagzeilen der letzten Monate und Wochen, auch hier in Niedersachsen:

  • Pflegedienste nehmen keine Patienten mehr auf
  • Krankenhäuser schließen
  • mangelnde Qualität bei bestimmten Operationen
  • die pädiatrische Versorgung im Landkreis Goslar oder
  • die Kinderintensivstation an der MHH

um nur einige zu nennen.

Anrede,

eine grundsätzliche Debatte aber darüber, wie wir die Gesundheitsversorgung insgesamt und vor allem zukunftsfähig, auch vor dem Hintergrund der demografischen Kurve hier in Niedersachsen gestalten wollen, haben wir bisher nicht geführt.

Wir brauchen langfristige und tragfähige Lösungen, die auf breiter Basis gefasst werden und die auch mal eine Legislaturperiode überdauern. Und wir brauchen Lösungen, die die festgemauerten Sektorenbereiche aufbrechen.

Daher begrüßen wir die Einsetzung einer Enquete-Kommission, in der wir

  • die landesrechtlichen Möglichkeiten exakt definieren,
  • intensiv mit allen Beteiligten und fachlicher Expertise diskutieren und
  • gemeinsame Lösungen erarbeiten können.

Konsequenterweise müssen dann aber auch diejenigen in der Kommission vertreten sein, die das Gesundheitssystem nutzen: die Bürgerinnen und Bürger. Und wir brauchen nicht nur die Perspektive der Ärzt*innen, sondern auch die der Medizinstudent*innen, um den vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden.

Anrede,

Die Enquete-Kommission bietet die große Chance, Partikularinteressen zu überwinden, die so manche Refomr schon einmal erschwert haben.

Es ist ein gutes Signal, dass wir uns mit der Kommission um überparteiliche Lösungen im Interesse der Menschen bemühen und dann auch an der Umsetzung der Lösungen auf allen Ebenen mit allen Akteuren machen.

Anrede,

Unseres Erachtens fehlt aber der Bereich Pflege in der Aufgabenbeschreibung der Kommission.

Denn wir haben zum Einen in der pflegerischen Versorgung ebenso große Herausforderungen wie in der medizinischen Versorgung. Wir haben zu wenig Fachkräfte, schlechte Arbeitsbedingungen und eine unterdurchschnittliche Bezahlung.

Auf der anderen Seite soll die Kommission nach der Vorstellung von SPD und CDU ja durchaus Fragen beantworten, die die Pflege betreffen, z.B. was die Delegation von ärztlichen Tätigkeiten auf andere Berufe angeht. Oder wie die sektorenübergreifende Versorgung verbessert werden kann. Oder wie wir zu einer besseren Personalausstattung kommen.

Das alles kann man nicht ohne die Pflege diskutieren.

Denn Fakt ist doch  auch, dass die Pflege mit Sicherheit nicht noch mehr zusätzliche Arbeit gebrauchen kann, ohne dass es an anderer Stelle eine Entlastung gibt. Die Frauen und Männer in der Pflege arbeiten fast alle am Limit.

Anrede,

Pflege und Medizin bedingen sich gegenseitig und müssen deshalb auch zusammen gedacht werden.

Der Sonderausschuss zu den Krankenhausmorden und Studien haben deutlich gemacht, dass es Zusammenhänge zwischen der angespannten Personalsituation in der stationären, aber auch in der ambulanten Pflege gibt. Die Zusammenhänge zwischen Personalausstattung und bspw. Hygiene, der Genauigkeit im Umgang mit Medikamenten oder der Vorbeugung von Folgeerkrankungen.

Die Personalausstattung ist quasi ein limitierender Faktor für die Patientensicherheit und die gehört ebenso mit auf die Tagesordnung der Enquete. Solange wir nicht mehr Pflegepersonal haben, werden alle anderen Maßnahmen nur begrenzt Wirkung entfalten können.

Anrede,

Wir verstehen ja, dass die Groko bis Ende 2019 die ersten Ergebnisse und Lösungsansätze vorlegen will, damit sie in den Haushalt 2020 einfließen können und sich möglichst schnell etwas verbessert. Aber das darf nicht bedeuten, dass wir eine Schmalspur-Enquete auf den Weg bringen.

Anrede,

wenn sich der Landtag gemeinsam an die Arbeit in einer Enquete-Kommission macht, müssen alle Akteure an den Tisch geholt werden. Und wir sollten die Gelegenheit wirklich nutzen, das ganze System in den Blick zu nehmen. Denn es gilt Sorgfalt vor Eile!

In diesem Sinne möchten wir ihren Antrag an einigen Punkten noch erweitern und freuen uns darauf gemeinsam in der Enquete für eine bessere medizinische und pflegerische Versorgung in Niedersachsen zu arbeiten.

Vielen Dank.

 

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