Meta Janssen-Kucz: Rede zum Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

Dieser Gesetzentwurf hat uns schon im letzten Sommer beschäftigt. Die Ergebnisse des Sonderausschusses flossen dann in einen rot-grünen Entschließungsantrag ein, der damals von schwarz-gelb abgelehnt wurde.

Aber auf der Grundlage wurde das in der Beratung befindliche Nds. Krankenhausgesetz erarbeitet und Korrekturen im Bestattungsgesetz vorgenommen.

Die Änderungen im Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (kurz Bestattungsgesetz) haben das Ziel mehr Patientensicherheit und Patientenschutz in Niedersachsen voran zu bringen.

Der Nds. Landtag ist nach den schrecklichen Krankenhausmorden in Oldenburg und Delmenhorst nicht zur Tagesordnung übergegangen, sondern hat sich auf den Weg gemacht.

Schwerpunkte waren bei der Novellierung die Regelung einer erweiterten Leichenschau, die Einführung von Meldepflichten bei Anhaltspunkten für einen nicht natürlichen Tod und der Schutz vor ausbeuterischer Kinderarbeit.

Anrede

Wir Grüne hätten uns definitiv gewünscht, dass in dem Gesetzentwurf stärker auf die Veränderungen der Bestattungskultur in den letzten 10 bis 15 Jahren eingeht.

Jeder stirbt nur einmal und es ist unsere Aufgabe die Wünsche des Verstorbenen, ebenso wie der Hinterbliebenen, bestmöglich gesetzgeberisch zu begleiten. Und nicht jeder sieht seine letzte Ruhe auf dem Friedhof.

Immer mehr Menschen, gerade in den Grenzregionen, nutzen den Umweg über die Niederlande, denn dort herrscht kein Friedhofszwang, um die Wünsche der Verstorbenen zu erfüllen. Bei uns gibt es bisher nur die Ausnahmen bei der Urnenbestattung im Waldgelände, wie es Friedwald anbietet und die Seebestattungen.

Doch es werden andere Bestattungs- und damit Geschäftsmodelle praktiziert.

Wir begrüßen daher den Änderungsantrag der FDP Fraktion und werden ihn unterstützen. Geben Sie sich hier und heute einen Ruck, sie können nicht nur auf traditionell Bestattungskulturen beharren, sie sollten die Wünsche der Menschen/der Verstorbenen akzeptieren und der fortschreitenden Liberalisierung des Bestattungswesens zustimmen.

Anrede

Der Sozialausschuss hat nach der Anhörung zusammen mit dem Sozialministerium und dem GBD sehr intensiv diesen Gesetz Entwurf beraten. Von einer Stellungnahme Abstand genommen haben 12 Verbände, darunter das Zentrum für Pathologie und Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Göttingen, die Polizeigewerkschaften und auch der Bund deutscher Kriminalbeamter(BDK). Die Kritik seitens des BDK das sie nicht angehört wurden, ist also hausgemacht.

Zusätzlich sind sieben weitere Stellungnahmen zum Gesetzentwurf eingegangen, die somit Gegenstand der Beratungen waren.

Anrede

Zu den in den letzten Tagen medienöffentlich kritisierten nicht ausreichend gesetzlich verankerten qualifizierten Leichenschau, die den Empfehlungen des Sonderausschusses nicht folgen, möchte ich Folgendes anmerken:

Nicht alles was der Sonderausschuss zur Umsetzung empfohlen hat, ließ sich im Rahmen der Gesetzesberatungen 1: 1 umsetzen. Oftmals standen rechtliche/Juristische Bedenken dem entgegen oder ganz einfach praktische Umsetzungsgründe.

Aber die entscheidende Frage ist, was nützt ein Bestattungsgesetz, dass aufgrund von nicht vorhandenen qualifizierten Personal, also Pathologen mit speziellen Fachwissen und nicht geeigneten Räumlichkeiten nicht umgesetzt werden kann?

In Niedersachsen sterben jährlich 80.000 Menschen, 60.000 davon in Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen.  Diese Zahlen machen deutlich, dass wir, um mittelfristig zu einer weiteren notwendigen Qualifizierung der Leichenschau zu kommen, mehr Pathologen ausbilden und in unsere Krankenhäuser investieren müssen, damit auch die räumlichen Gegebenheiten vorhanden sind.

Ebenso sollten wir aufmerksam das Modellprojekt im Rahmen der Krankenhausmorde in Oldenburg/Delmenhorst verfolgen und evaluieren und dann gesetzlich verankern, um es auf weitere Krankenhäuser in Niedersachsen zu übertragen.

Anrede

Wir haben auch gemeinsam juristisches Neuland betreten. Gerade in Hinblick auf die Erweiterung der Sanktionsmöglichkeiten nehmen wir die rechtlichen Bedenken bewusst zu Kenntnis. Wir stellen uns aber klar auf die Seite von mehr Patientenschutz und setzen darüber hinaus ein ganz klares Signal für mehr Kinderschutz.

Wir alle kennen die bisher bekannt gewordenen Fälle von Tötungen in Krankenhäusern, aber auch erst später erkannten Kindesmisshandlungen mit Todesfolge und deshalb führt kein Weg an dieser Änderung in § 5 vorbei, trotz möglicher verfassungsrechtlicher Risiken.

Anrede

Ich möchte für die Grüne Fraktion noch kurz auf die für uns wichtigsten weiteren gesetzlichen Veränderungen eingehen:

Vorgesehen ist die Erweiterung der Pflicht zur Benachrichtigung von Polizei oder Staatsanwaltschaft (§ 4 Abs. 4) und die Zulassung von Sektionen auch gegen den Willen der Angehörigen (§ 5 Abs. 3), sowie die Spezifizierung der Meldepflicht.

Gerade die Erweiterung der Auflistung der Meldetatbestände sind wichtige unabdingbare gesetzliche Neuerungen, die im Rahmen der Anhörung um zwei weitere Meldetatbestände erweitert wurden. Damit benennen wir konkret meldepflichtige Konstellationen bei der Leichenschau und erhöhen die Rechtssicherheit und die Kontrolldichte, vor allem in Bezug auf potentiell unnatürliche Todesfälle.

Anrede

Wir Grüne begrüßen die nun in striktere Form - die Regelung gegen die Verwendung von Natursteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit (§ 13 a Abs. 2 und 3) und bedanken uns vor allem bei Terre des Hommes und Prof. Dr. Walter Eberlei für ihre fundierten Stellungnahmen.

Die Formulierung SOLL ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber der vorgesehenen KANN-Regelung, ebenso das es gleichwertige Zertifikate sein müssen, also keine beliebigen Nachweise möglich sind.

Es sind zehntausende von Kindern in Indien, Pakistan und anderen Ländern, die an der Produktion von Natursteinen beteiligt sind und deren Rechte gemäß UN-Kinderrechtskonvention und der ILO Konventionen in eklatanter Weise verletzt werden. Diese Kinder gehen jeden Morgen in den Steinbruch statt zur Schule und bauen in körperlicher Schwerstarbeit die Steine ab, die wir hier in Niedersachsen auf die Gräber unserer Verstorbenen stellen. Für die Angehörigen ist die Herkunft dieser Steine jedoch in der Regel gar nicht erkennbar. Als mittlerweile 6. Bundesland, schaffen wir heute die gesetzliche Grundlage dafür, dass solche Steine in Niedersachsen nicht mehr verwendet werden dürfen.

Anrede

Wir sind auf dem Weg zu mehr Patientensicherheit und Patientenschutz noch lange nicht am Ziel angekommen. Vor uns liegt noch ein langer Weg, und auch dieses Gesetz ist nicht der Stein der Weisen. Es muss zeitnah evaluiert und wieder angepackt werden.

(korrigierte Fassung vom 20.6.18)

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