Julia Hamburg: Rede zur Unterstützung von Schulen mit schwierigen Rahmenbedingungen (Antrag GRÜNE)

- es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

die Schulen in Niedersachsen haben ganz unterschiedliche Voraussetzungen für die Arbeit, die sie tagtäglich leisten. Da gibt es Schulen, die eine sehr homogen zusammengesetzte Schülerschaft haben, Schulen, die sehr heterogen zusammengesetzt sind. Es gibt Schulen, die eine hohe Anzahl von Kindern mit Förderbedarfen oder sogenannten Bildungsbenachteiligungen haben und Schulen, in die es fast kein Kind schafft, dass nicht aus einem Familienhaus mit Akademikerhintergrund kommt. Und so unterschiedlich diese Voraussetzungen an den Schulen ist, so spezifisch muss auch die Ausstattung mit Personal und Sachmitteln sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir haben in den letzten Jahren immer wieder über sogenannte Brennpunktschulen diskutiert. Wir haben diese Debatten stets mit großer Ernsthaftigkeit geführt und immer mit dem Versuch, die Probleme anzusprechen, aber Schulen, Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte, die tagtäglich ihr Bestes geben, nicht zu stigmatisieren.

In der Problemanalyse sind wir uns alle einig: Es gibt Schulen, in denen Gewalt und Perspektivlosigkeit an der Tagesordnung sind. Schulen, in denen das Lernumfeld schwierig ist und in denen die Lehrkräfte jeden Tag vor großen Herausforderungen stehen. Dieser Zustand muss sich ändern, da sind wir uns alle einig. Und vor dem Hintergrund, dass wir uns hier alle einig sind, bin ich doch sehr erstaunt über den Vorstoß der großen Koalition und des Kultusministers, nun mit einem Modell 20 Brennpunktschulen besser auszustatten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist zu wenig.

In Anbetracht der Tatsache, dass wir seit Jahren über dieses Thema reden, wünsche ich mir, dass wir grundlegende Schritte gehen, um zu verhindern, dass die Schulen in besonders schwierigen Lagen in einem dauerhaften Teufelskreislauf stecken bleiben. Der Arbeitsplatz an diesen Schulen ist anstrengend und über Gebühr belastend – er ist somit auch unattraktiv. Wenig Lehrkräfte wollen an diese Schulen gehen, die Unterrichtsversorgung ist somit ausgesprochen schlecht. Die Belastung der Lehrkräfte an diesen Schulen steigt somit noch mehr und die Spirale dreht sich nach unten.

Wenn wir diese Spirale stoppen wollen, müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, nach denen die Schulen eine Ausstattung erfahren, die sich an den Bedarfen der jeweiligen Schule misst. Entlastungsstunden, Personalausstattung, Klassengrößen: All diese Fragen sollten künftig an den Gegebenheiten der jeweiligen Schule messen. Hamburg macht erfolgreich vor, dass die Verteilung von Ressourcen anhand sozialer Indikatoren ein guter Weg sein kann. Natürlich ist mir klar, dass ein solcher Sozialindex in einem Flächenland wie Niedersachsen anders ausgestaltet sein muss. Aber wir sollten endlich anfangen, Schritte zu unternehmen, um das Gefälle zwischen Bedarfen und Ausstattung der Schulen endlich zu beenden.

Natürlich sind wir derzeit auch nicht in einer Situation, in der wir Schulen beliebig Kapazitäten wegnehmen können – dazu sind die Voraussetzungen an vielen Schulen zu eng bemessen. Wir GRÜNEN fordern seit längerem die Einstellung von 1000 weiteren Kräften – pädagogischen Mitarbeitern, Sozialarbeitern und Lehrkräften – um Schulen in besonderen Problemlagen kurzfristig und effektiv zu entlasten. Leider hat mich auch hier der Kultusminister negativ überrascht – hat er doch anstatt die 600 Stellen für pädagogische Mitarbeiter vollumfänglich zu besetzen, die nicht-besetzten Stellen heimlich, still und leise einkassiert. Eine Anfrage der FDP brachte diesen Umstand zutage – von einer Korrektur dieses Vorhabens habe ich noch nicht gehört. Ich möchte Sie an dieser Stelle inständig bitten, ihren Koalitionsvertrag doch ernst zu nehmen und einen spürbaren Aufwuchs an pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ebenso wie Schulsozialarbeitern auch tatsächlich umzusetzen – und nicht auch noch zu kürzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam den Schulen mit besonderen Problemlagen grundsätzlich helfen und verlässliche Schritte einleiten, die Versorgung dieser Schulen zu sichern. Ihr Modellprojekt ist sicherlich ein Schritt – aber ich bin der Überzeugung, wir müssen hier weitergehen und wir können hier einen gemeinsamen Konsens erreichen: Im Sinne der Schulen – im Sinne der Kinder.

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