Detlev Schulz-Hendel: Rede zur Küstenautobahn A 20 (Antrag GRÜNE)

- Es gilt das gesprochen Wort -

Anrede,

der Bundesverkehrswegeplan 2015-2030 erweckte große Hoffnungen, denn im Gegensatz zu den vorherigen Planungen bundesweiter Verkehrsinfrastrukturprojekte gab es sowohl eine Bürger*innenbeteiligung als auch eine Umweltprüfung zu den einzelnen Projekten. Man muss dazu aber wissen, dass dieses Vorgehen dem EU-Recht entspricht und nicht etwa die Idee eines Bundesministers Dobrindt war. Und wie es dann so ist mit Auflagen, die man eigentlich gar nicht will: Sie werden halbherzig angepackt. Die Proteste zum Bürgerbeteiligungsverfahren als auch zur Umweltprüfung waren massiv aber leider bis heute wirkungslos. Seit nunmehr eineinhalb Jahren liegt ein Widerspruch des BUND, unterstützt von vielen Verbänden, zum Bürgerbeteiligungsverfahren des Bundesverkehrswegeplans bei der EU-Kommission auf dem Tisch. Das Verfahren war eindeutig zu kurz, fand in der Urlaubszeit statt und die notwendige Transparenz war nicht gegeben.  Auch die unzureichende Umweltprüfung war Gegenstand des Widerspruchs. Es ist bedauerlich, dass bis heute keine Entscheidung zu diesem Widerspruch vorliegt, es bleibt aber die Hoffnung, dass die Bundesregierung die Projektplanungen überarbeiten muss.

Denn dafür gibt es gute Gründe, und es ist geradezu unverantwortlich, dass trotz dieser ausstehenden Entscheidungen weiterhin Steuergelder als Planungskosten in das Projekt A 20 sowie der A 39 versenkt werden und noch zusätzliche Planbeschleunigungsmittel eingesetzt werden. Diese Gelder gehören in die längst überfällige und von Rot-Grün begonnene Verkehrswende, Herr Minister Althusmann.

Bei vielen Projekten ergeben sich bereits jetzt Kostenexplosionen. Die Kostenannahmen für den Bau der A 20 beruhen auf einen Stand von 2012. Ich muss Ihnen, glaube ich, nicht erklären, welche Kostensteigerungen bei Verkehrsprojekten wir seit 2012 hatten. Sie wissen es selbst. Alleine die Finanzierung des geplanten Elbtunnels wird deutlich höher ausfallen. Selbst die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr geht mittlerweile von mindestens 3,2 Milliarden Gesamtkosten für das Gesamtprojekt aus. Ein Ende nach oben ist noch nicht in Sicht. Kein Wunder also, dass der Bundesrechnungshof zu Recht die im Plan ausgewiesenen Kosten massiv gerügt hat.

Anrede,

die Groko und Ihr Verkehrsminister lassen keine Gelegenheit aus, uns immer wieder die längst widerlegte Geschichte zu erzählen, dass ausschließlich der Straßenbau die Wirtschaft stärke.

Herr Minister Althusmann, hören Sie auf die Mär von einer positiven Auswirkung für die Wirtschaft zu erzählen, denn es gab und gibt keine belastbaren Studien oder Untersuchungen, die Ihnen bezüglich einer positiven Wirtschaftsentwicklung beim Autobahnbau Recht gibt.

Während Sie die Umweltprüfungen und das Umweltrecht am liebsten abschaffen würden und alle Autobahnprojekte mit Tempo durchziehen möchten, setzen wir auf das kluge Argument und wir setzen auf die Erkenntnis und die Bereitschaft, Entscheidungen zu überdenken.

Wer es als lächerlich bewertet, dass zugunsten eines Autobahnbaus eine Libellenpopulation vernichtet wird, hat die Dimensionen der Umweltzerstörung und ihrer Auswirkungen nicht verstanden oder will sie nicht verstehen. Wer deutschen Ingenieursverstand als ein nationales Kulturgut versteht, hält den Berliner Flughafenbau offenbar für eine gottgewollte Misere. Und der glaubt dann auch, dass 15 Meter tiefe Moore unter mehreren Kilometern Autobahn überhaupt kein Problem darstellen.

Derjenige wird uns aus voller Überzeugung sagen, dass die abgesackte A 20 in Höhe Tribsees auf eine fehlerhafte Bauweise zurückzuführen ist, und der wird uns auch sagen, dass dieses auf niedersächsischer Seite gar nicht passieren kann, weil die Moore quasi ausgequetscht und damit trockengelegt werden. Sie glauben an die Ingenieurskunst, dass andere Verfahren wie das Überschüttverfahren eine sichere Sache sind. Nur die Garantie dafür übernehmen wollen Sie nicht. Aber da sind Sie nicht alleine, hat doch ein Ingenieur auf einer Veranstaltung der Straßenverkehrsbehörde im vergangenen Jahr der A 20 nur eine Lebensdauer von zehn Jahren prognostiziert. Üblich sind 20 Jahre. Und mit all diesem Wissen halten Sie, Herr Minister Althusmann, an diesem Autobahnprojekt A 20 fest. Damit rennen Sie sehenden Auges in die Autobahnkatastrophe und ignorieren unkalkulierbare Risiken. Sie halten unbeirrt an einem Autobahnprojekt fest, welches vom Bundesumweltamt als eines der umweltschädlichsten Autobahnprojekte Deutschlands eingestuft wird. Das gleiche gilt im Übrigen auch für die A 39. Sie wissen nur zu genau, dass die Nutzen-Kosten-Analyse für diese Autobahn schöngerechnet ist. Massive Kostensteigerungen, auch für eine neue Elbquerung, keine Berücksichtigung der hohen Planungskosten, keine monetäre Berücksichtigung der Umweltbetroffenheit und zweifelhafte Verkehrsprognosen.

Eine Neuberechnung unter Berücksichtigung aller genannten Faktoren würde weder den vordringlichen Bedarf dieses Autobahnprojektes rechtfertigen und noch viel schlimmer: Es würde den Bau als Ganzes nicht mehr rechtfertigen.

Herr Minister Althusmann,

Autobahnneubau, zumal beide Autobahnen in Niedersachsen A 20 und A 39 einen schlechten Nutzen-Kosten-Wert haben, sind Relikte einer alten Denkweise. Die Zukunft sieht anders aus. Heute müssen wir den Klimawandel gerade bei der Verkehrspolitik mitdenken. Wer das nicht schafft, wirkt wie aus der Zeit gefallen – gerade nach einem heißen Sommer, wie wir ihn dieses Jahr erlebt haben. Vernünftige Alternativen zu der ewig gestrigen Betonpolitik gibt es mehr als genug. Dazu gehört zentral eine nachhaltige Verkehrswende, die Verlagerung der Güterverkehre auf die Schiene und auf das Wasser. Die Verbesserung des ÖPNV, des Schienenpersonenverkehrs und des Radverkehrs. Und dazu gehört auch - und dem verschließen wir uns auch nicht, bei Bedarf die vorhandene Straßeninfrastruktur auszubauen. Als Beispiele seien hier genannt, kleinräumige Ortsumgehungen, der Ausbau der Bundestraßen 71 und 73 zu 2 plus 1 Straßen. Aber eine sorgfältige Alternativprüfung ist von Ihnen, Herr Minister, und der GroKo in Niedersachsen und Berlin nicht gewollt.  Dennoch geben wir es nicht auf, unseren Appell zu wiederholen: Geben Sie Ihre Asphaltträumereien auf, zeigen Sie Verantwortung und beenden Sie nun endlich ihre verkehrspolitische Geisterfahrt.

Vielen Dank.

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