Christian Meyer: Rede zum Insektensterben (Große Anfrage GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

„Wenn die Biene stirbt, hat der Mensch noch vier Jahre zum Überleben“. Auch wenn es keine Belege gibt, dass Einstein dies jemals gesagt hat, ist der Zusammenhang doch klar. Mehr als 80 % aller Nutz- und Wildpflanzen sind auf die Bestäubung von Insekten angewiesen. Ohne Bienen, Hummeln und Schmetterlinge würden wir verhungern. Ohne Bestäuber würden die Ernten von Obst und Gemüse teilweise um bis zu 90 % Prozent einbrechen. Wir würden verhungern. Unser Biosystem würde zusammenbrechen.

Der volkswirtschaftliche Nutzen der Wild- und Nutzbienen wird auf 190 bis 300 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Die Landesregierung betont auch die hohe Bedeutung von Insekten für den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und für die Humusbildung. Von daher sind Insekten auch Boden- und Klimaschützer und unverzichtbarer Teil unseres Ökosystems.

Doch verschiedene Studien zeigen einen dramatischen Rückgang in der Insektenbiomasse von bis zu 80 % in Deutschland. 1432 Insektenarten sind in Niedersachsen als ausgestorben oder gefährdet eingestuft.

Bei den insektenfressenden Vögeln sind mehr als die Hälfte der 212 niedersächsischen Brutvogelarten vom Erlöschen bedroht oder (stark) gefährdet. Davon am stärksten betroffen sind die Arten der Agrarlandschaft und frühere Allerweltsarten wie den Star, den Vogel des Jahres. „Ich bin ein Star, holt mich zurück“ heißt daher unsere Grüne Kampagne gegen das Insektensterben.

Die Landesregierung schreibt: „Die Vermutung liegt nahe, dass ein Insektenrückgang ein wesentlicher Grund sein könnte, weshalb viele insektenfressende Vogelarten deutliche Bestandsrückgänge aufweisen.“

Auch wenn das Land ein eigenes Monitoring bei Insekten nur angekündigt hat, macht sich die Regierung zurecht große Sorgen um das Verschwinden von Insekten und Vögeln. Zitat: „Schon die heutige Erkenntnislage über den Insektenrückgang zwingt auch ohne abschließende Ursachenermittlung zum sofortigen Handeln“, verspricht die Groko.

Doch wenn wir nach neuen Maßnahmen zum Insektenschutz fragen, kommt nichts. Es wird sich auf den Erfolgen von Rot-Grün etwa bei der Verdopplung der Blühstreifen von Landwirten ausgeruht. Auf die Frage, ob es Änderungsbedarf in der EU-Agrarpolitik zu mehr Anreizen für Landwirte beim bienenfreundlichen Wirtschaften gibt, wird gefordert alles zu lassen wie es ist.

Dabei ist eine Wende in der Landwirtschaftspolitik für mehr Schutz von Insekten essentiell. Und man kann das gemeinsam mit den Landwirten machen. Auch sie wollen mehr Bienenschutz, aber werden von der jetzigen Subventionspolitik bestraft. Wenn ein Landwirt ein paar Meter Hecke stehen lässt oder ein paar Meter am Waldrand oder einem Gewässer der Natur überlassen will, verliert er den Zahlungsanspruch der Subventionen, weil er sie nicht bewirtschaftet. So wird das Entfernen von Hecken, Wegeseitenrändern und Brachen belohnt, aber nicht der Bienenschutz.

Und während das Umweltministerium an seiner Hauswand mehr „Flower Power und Blühflächen für Wildbienen und Hummeln fordert“, erlässt das Agrarministerium die Erlaubnis, die schon wenigen ökologischen Vorrangflächen und Brachen bei dieser Trockenheit abzumähen und zu zerstören. Auch Wildbienen leiden unter der Klimakatastrophe.

Wir wollen Rettungsinseln für Wildinsekten und nicht vorgezogene Mahdtermine.

Zwischen Umwelt- und Agrarministerium in Niedersachsen, wird schon vom Calenberger Graben berichtet, weil die Agrarministerin alle guten Ansätze des Umweltministers einreißt. Auf unsere Frage, ob die Neonicotionoide, ein von der EU aus wissenschaftlichen Gründen verbotenes Insektengift, eine Gefahr für die Bienen darstellt, antwortet die Landesregierung, dass ein Verbot aus Sicht des MU geteilt wird.

Das ist schon eine ungewöhnliche Formulierung und bedeutet nichts anderes, als dass die Agrarmininisterin diese Insektengifte weiter in der Agrarlandschaft eingesetzt wissen will.

Überhaupt leugnet die CDU-Agrarministerin, anders als die Antwort der Landesregierung, öffentlich das Problem.

Am 2. Juli 2018 veröffentlichte die Ministerin eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Vom Bienensterben weit entfernt“!

Frau Ministerin, dass ist zynisch. Nur weil es dank der Erfolge der rot-grünen Landesregierung wieder mehr Imker*innen und damit Nutzbienenvölker gibt, geht es ihnen noch lange nicht gut, wie mir viele entsetzte Imker nach ihrer Heile-Welt-Behauptung schrieben.

Und vielleicht erklären sie mal, warum laut Bieneninstitut die Honigernte pro Nutzbienenvolk seit 2010 dramatisch zum Teil um mehr als die Hälfte eingebrochen ist! Bestimmt nicht, weil es den Bienen in der ausgeräumten Agrarlandschaft gut geht.

Und Frau Ministerin, auch Wildbienen, Hummeln und Co sind Bienen. Das wissen sie genau, schreiben aber einfach mal: „Bienensterben gibt es nicht“. Ich dachte, das Bienensterben zu leugnen, wäre Sache der AfD und die CDU hätte das Problem verstanden. Schauen sie bitte mal in die Antwort der Landesregierung: In Niedersachsen wurden bislang 341 Wildbienenarten nachgewiesen. Laut Roter Liste (Stand 2002) sind davon bereits 46 Arten ausgestorben oder verschollen. Das ist Bienensterben real!

Wir brauchen Taten statt beschönigender Worte. Wir Grünen fordern ein umfassendes Verbot von Bienengiften in der Landwirtschaft. Und wir brauchen eine Pesitzidabgabe wie sie Robert Habeck vorschlägt. Auch Pflanzengifte wie Glyphosat von denen immer noch riesige Tonnen in der Landwirtschaft eingesetzt werden müssen sich vom Acker machen. Wir brauchen endlich mehr Anreize für Bienenschutz in der EU-Agrarförderung. Imker*innen sind auch Landbewirtschafter, gehen aber momentan bei den EU-Subventionen komplett leer aus. Jetzt steht die Reform der EU-Agrarpolitik an, nutzen wir sie auch für den Naturschutz!

Daher, Herr Lies, Sie haben das Problem erkannt und wollen etwas tun, das nehme ich Ihnen ab. Aber dann setzen sie sich bitte mal gegen ihr Nachbarhaus und die Blockaden der CDU durch. Die EU-Agrarpolitik braucht mehr Naturschutzanreize für Landwirte, die mitmachen wollen. Sie müssen den Glyphosatausstieg in Niedersachsen durchsetzen statt, wie wir gestern erfahren haben, 412 Ausnahmegenehmigungen in diesem Jahr für Glyphoteinsätze auf nichtlandwirtschaftlichen Flächen zu erteilen.

Und Sie müssen auch die anderen Ministerien in die Pflicht nehmen. Das Verkehrsministerium muss seine Straßenseitenränder bienenfreundlicher gestalten und weniger Mähen. Das Innenministerium muss die Kommunen zu mehr Bienenfreundlichkeit anhalten und das nicht als freiwillige Aufgabe ansehen. Das Raumordnungsministerium muss den Flächenfrass und die Betonflut stoppen. Das Finanzministerium muss mehr Geld für den Insektenschutz herausrücken. Auch eine Weideprämie hilft übrigens Insekten, wer sich einmal die Insektenvielfalt eines Kuhfladens angeschaut hat. Aber die Agrarministerin will ja keine Weidetiere, weil es im geschlossenen Stall ja „weniger Fliegen“ gebe. Auch das ist zynisch, Tieren den Weidegang vorzuhalten, aber zeigt ja dass sie Insekten nur als Schädlinge sehen und nicht als wertvollen Bereicherer für die Landwirtschaft.

Meine Damen und Herren,

die Große Anfrage zeigt, es gibt viel zu tun. Packen wir es an. Nicht nur Bienen und Vögel werden es uns danken. Denn auch wir Menschen brauchen Flower Power, Bienenpower, Summen und Brummen und wollen keinen stummen, toten Frühling.

Danke

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