Antrag: Unsere Meere und Gewässer schützen: Stoppt die Plastikflut!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Über Bäche, Flüsse und die Küste werden Abfälle ins Meer getragen, auch in Niedersachsen. Bis zum Jahr 2050 könnte es in den Meeren mehr Plastik als Fische geben, davor warnt eine Studie im Auftrag des Weltwirtschaftsforums. Jährlich landen demnach acht Millionen Tonnen Plastik in den Meeren, das entspricht einer Müllwagenladung pro Minute.

Freizeitmüll wie Trinkbecher, Plastikflaschen und Zigarettenkippen zeugen als Überbleibsel von Picknicks im Grünen. Haushaltsmüll gelangt aus aufgeplatzten, gelben Säcken in unsere Gewässer. Das ist das Ergebnis von Müllsammlungen des BUND auf einer Weser-Insel, die 60 Kilometer vor der Mündung in die Nordsee liegt. Auch in europäischen Gewässern entsorgen immer wieder Schiffe ihren Müll illegal im Meer. Wie die Ü-Eier-Schwemme auf Langeoog im letzten Jahr zeigte, verlieren Schiffe teils Ladung und Container. Verlorene Netze, Leinen und Schnüre stammen aus der Fischerei. Eine Vielzahl von Studien dokumentiert zudem, wie sich Mikroplastik in unserer Umwelt ausbreitet.

Ist der Müll erst mal im Meer, ist er kaum noch zurückzuholen. Plastikabfälle dürfen gar nicht erst in Flüssen oder Meeren landen, der Plastikverbrauch muss drastisch reduziert werden. Verpackungs-Irrsinn wie die eingeschweißte Gurke im Supermarkt, einzeln verpackte Kekse und Wegwerfgeschirr aus Plastik sind unnötig und verzichtbar. Auch Scheuerfäden aus Kunststoff in der Fischerei, sogenannte Dolly Ropes, werden in großen Mengen von Schleppnetzen abgerissen und bleiben im Meer als tödliche Falle für Meereslebewesen und Vögel zurück.

In Niedersachsen bleiben die Küstenkommunen und der Nationalpark Wattenmeer bislang auf den Kosten für die Entsorgung angeschwemmter Abfälle sitzen. Die Kosten werden zum Teil über die Müllgebühren einseitig auf die Einwohnerinnen und Einwohner der Küsten-Landkreise sowie auf die Wirtschaftsbetriebe der Insel-Kommunen umgelegt. Angebote von Ehrenamtlichen, freiwillig Meeresmüll an Stränden und in geschützten Küstenregionen zu sammeln, muss der Nationalpark Wattenmeer teils ablehnen, weil kein Geld für die Entsorgung der gesammelten Abfälle da ist.

Der Landtag begrüßt die Initiativen von EU-Kommission und Europa-Parlament zur Eindämmung von Plastikmüll und fordert Land und Bund auf, die Vorschläge zum Verbot von Wegwerf-Produkten aus Plastik wie Strohhalmen, Wattestäbchen, Plastikgeschirr und -besteck sowie die Kostenbeteiligung der Hersteller für das Säubern der Umwelt von Plastikmüll zu unterstützen und umzusetzen. Dabei sind auch die Forderungen des EU-Parlaments zum Verbot von sog. „oxo-abbaubaren“ Kunststoffen sowie von Kunststoffen mit toxischen Zusatzstoffen umzusetzen.

Der Landtag stellt darüber hinaus fest, dass ergänzend zur EU-Initiative weitere Schritte auf Landes- und Bundesebenen zur Bekämpfung von Meeresmüll und unnötigem Plastikmüll notwendig sind.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. Mehrwegsysteme in Niedersachsen gemeinsam mit den Kommunen zu fördern, insbesondere bei öffentlichen Veranstaltungen, Veranstaltungen auf öffentlichen Flächen bzw. im öffentlichen Beschaffungswesen, z.B. durch Pfandsysteme für Kaffee- und Trinkbecher und verbindlichen Regeln für Mehrweggeschirr in der Außen- und Strandgastronomie.
  2. Küstenkommunen und Nationalpark nicht mit dem Meeresmüll alleine zu lassen. Die Kosten der notwendigen Strandreinigungen sind über einen Meeresmüll-Fonds entsprechend dem Verursacher-Prinzip auf Plastikindustrie und Handel umzulegen.
  3. Wissenschaft und Forschung zu den Auswirkungen von Meeresmüll, Mikroplastik, Nanoplastik und flüssigen Kunststoffen auf die menschliche Gesundheit und die Ökosysteme gezielt zu fördern.
  4. Das Projekt Fishing for Litter weiterhin im nötigen Umfang zu finanzieren, das Bereitstellen von Strandmüllboxen und Strandaschenbechern zu unterstützen sowie Hotspots für die Anspülung von Meeresmüll zu identifizieren und regelmäßig zu reinigen, sodass die Abfälle nicht wieder zurück ins Meer gespült werden.
  5. Sich im Bund und über den Runden Tisch Meeresmüll dafür einzusetzen, den Plastikverbrauch zu verringern und das Recycling zu verbessern durch
  • einen nationalen Verkaufsstopp für Kosmetika und Reinigungsmittel mit Zusatz von Mikroplastik und anderen Kunststoffen,
  • die Abschaffung des Dualen Systems, ein Wertstoffgesetz und die Einführung einer Wertstofftonne.
  • ein Verbot von Scheuerfäden aus Kunststoff, sogenannte Dolly Ropes, in der Fischerei,
  • klare Regeln auch für Bioabfälle aus Gastronomie und Handel, damit Plastikmüll nicht in Gärten und auf Äckern landen. In Plastik verpackte Lebensmittel dürfen nicht länger geschreddert und kompostiert werden,
  • eine Steuer auf Plastikverpackungen mit dem Ziel der Abfallvermeidung,
  • Anreize für Hersteller, ihre Produkte von Anfang an recyclingfähiger herzustellen,
  • die Verminderung von Mischkunststoffen, die durch mangelnde Recyclingfähigkeit meist in die Verbrennung kommen
  • die Verpflichtung von Industrie und Handel, unnötige Plastikverpackungen und Plastiktüten abzuschaffen - freiwillige Selbstverpflichtungen reichen nicht,
  • strenge Grenzwerte für Mikroplastik in Lebensmitteln, Trinkwasser, Abwasser und Oberflächengewässern. Darüber hinaus sind einheitliche Anforderungen an den Rückhalt von Mikroplastik durch Kläranlagen zu schaffen,

Begründung

Größere Plastikteile werden durch Salzwasser und Sonnenstrahlung zerkleinert, Plastik ist jedoch nicht abbaubar. Kleinste Plastikteile reichern sich so immer weiter in Gewässern und Meeren an.

Wissenschaftler wiesen kleinste Plastikteilchen u.a. im Abwasser, im arktischen Eis, in Fisch und Meeresfrüchten, in Speisesalz sowie im menschlichen Darm nach. Peelings, Duschgel, Zahnpflegeprodukte und Kontaktlinsenreiniger - viele Kosmetikprodukte enthalten winzige Plastik-Partikel. Auch Kleidungsstücke aus Fleece oder Kunstfasern verlieren bei jedem Waschgang Fasern. Diese Plastikteile werden von den Filtern der Kläranlage nicht erfasst und landen mit dem Abwasser ungehindert in Flüssen und Meeren.

Die Plastik-Strategie der Europäischen Union ist eine wichtige Initiative, das Europäische Parlament hat bereits aufgezeigt, wo weitere Regelungslücken bestehen. Sogenannte „oxo-abbaubare Kunststoffe“ sind nicht biologisch abbaubar, stattdessen zerfallen die Kunststoffe in sichtbare und unsichtbare Teile und tragen somit zur Verbreitung von Mikroplastik bei. Toxische Zusatzstoffe in Kunststoffen erschweren die Wiederverwertung von Plastik, da die gefährlichen Stoffe in die Rezyklate übergehen, die somit beispielsweise für Lebensmittelverpackungen oder Kinderspielzeug nicht genutzt werden können.

Muscheln, Krebse und Fische nehmen Plastikpartikel auf, die so auch in unsere Nahrungskette gelangen. Plastik enthält oft Weichmacher und Flammschutzmittel und wirkt wie ein Magnet auf weitere Schadstoffe. Die Auswirkungen von Mikroplastik auf die menschliche Gesundheit sind noch weitgehend unerforscht.

Plastikmüll kann für Meereslebewesen tödlich sein. Vögel verwechseln Plastikteile mit Nahrung. Der Müll verstopft den Magen, sodass die Tiere teils qualvoll verhungern. Auf Helgoland wurden in nahezu allen Basstölpel-Nester Plastik gefunden, vor allem Netzreste, Leinen und Schnüre. Wenn sich die Vögel darin verheddern, können sie sich oft nicht wieder befreien.

Auch unsere Böden sind zunehmend belastet. Durch die Ausbringung von Klärschlamm und die Bewässerung aus Oberflächengewässern gelangen Plastikrückstände auf Ackerland, auch verunreinigte Bio-Abfälle sorgen bei der Kompostierung für Probleme.

Mit einem echten Wertstoffgesetz werden die Mülltrennung vereinfacht und die Recyclingquoten erhöht. Alle Kunststoffe und Metalle können bequem in einer Wertstofftonne gesammelt werden, unabhängig davon, ob es sich um Verpackungen handelt oder nicht. Die Verantwortung für Entsorgung und Recycling der Wertstoffe soll wieder bei den Kommunen liegen. Die Einbindung der Verpackungshersteller über das Duale System hat sich nicht bewährt, um das Abfallaufkommen zu senken oder die Recyclingquoten zu verbessern.

Der Runde Tisch Meeresmüll wurde 2016 durch den damaligen Umweltminister Stefan Wenzel, die damalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und die Präsidentin des Umweltbundesamtes Maria Krautzberger ins Leben gerufen, um die nationalen Maßnahmen gegen Meeresmüll zu koordinieren.

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