Antrag: Reform der Europäischen Agrarpolitik ab 2021: Öffentliche Gelder nur noch für öffentliche Leistungen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

In Folge des Brexits klafft ein Loch im EU-Haushalt. Das Ausscheiden des Nettozahlers Großbritannien reißt nach Schätzungen der Kommission eine Milliarden-Lücke Euro ins Budget. Die Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) umfassen derzeit etwa 58 Milliarden Euro jährlich, was 40 Prozent des bisherigen EU-Haushalts entspricht. Die EU-Kommission will die EU-Agrarhilfen um fünf Prozent zu kürzen. Während die Kommission an den pauschalen Direktzahlungen jedoch weiter festhalten will, sollen sich die Kürzungen überproportional auf die „Zweite Säule“ auswirken.

Der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundeslandwirtschaftsministerium fordert in einer aktuellen Stellungnahme, die GAP „auf die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen für Landwirtschaft und ländliche Räume auszurichten und sie zu einer gemeinwohlorientierten Politik weiterzuentwickeln. Dies könnte die gesellschaftliche Akzeptanz für die GAP langfristig sichern und damit verlässliche agrarpolitische Rahmenbedingungen für das nächste Jahrzehnt schaffen.“ Die Direktzahlungen seien verteilungspolitisch nicht zu rechtfertigen. Stattdessen „müssen dringend adäquate Steuerungs- und Finanzierungsinstrumente für die Honorierung von Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft (weiter-) entwickelt werden.“

Die EU-Agrarpolitik läuft bislang den europäischen Zielen zu Umwelt-, Tier- und Klimaschutz zuwider. Der Verlust von Artenvielfalt und Lebensräumen in den Agrarlandschaften ist dramatisch. Durch den Druck zu immer intensiverer Nutzung werden vielfältige Landschaftsstrukturen eingeebnet, Grünland verschwindet oder wird häufiger gemäht und gedüngt. Der flächendeckende Einsatz von Pestiziden beeinträchtigt Insekten und Bestäuber. Die Massentierhaltung verursacht eine Überdüngung der Böden und eine Belastung von Grund- und Trinkwasser.

Zudem erfüllt die EU-Agrarpolitik auch ihre selbstgesteckten Ziele nicht. Die Direktzahlungen sind nicht geeignet, bäuerlichen Betrieben ein faires und sicheres Einkommensniveau zu garantieren. Trotz Milliardensubventionen konnte das Höfesterben und der Trend zu immer größeren Betrieben nicht gestoppt werden. Gleichzeitig fehlt weitverbreiteten Formen der Tierhaltung und des Pflanzenbaus die gesellschaftliche Akzeptanz.

Der Landtag stellt fest:

  • Die derzeitige Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik ist nicht geeignet, die bundes- und europarechtlichen Ziele in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Tierschutz sowie der ländlichen Entwicklung zu erreichen.
  • Die Förderung von Landwirtschaft und ländlicher Entwicklung muss grundlegend reformiert werden, um mit den eingesetzten Steuergeldern einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen. Dies ist auch erforderlich, um die gesellschaftliche Akzeptanz für die Landwirtschaft wieder zu verbessern.
  • Agrarkommissar Phil Hogan schlägt drei ökologischen Ziele für die künftige GAP vor: 1. Beitrag zur Eindämmung und Anpassung des Klimawandels, 2. Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und eines effizienten Managements der natürlichen Ressourcen sowie 3. Natur und Landschaft erhalten. Die Einhaltung dieser Ziele muss für die Mitgliedstaaten verbindlich sein und mit einem wirksamen Kontroll- und Sanktionsmechanismus sichergestellt werden.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich für eine grundsätzliche Reform der Europäischen Agrarpolitik einzusetzen:

  • Öffentliche Gelder künftig nur noch für öffentliche Leistungen einzusetzen, damit Landwirtinnen und Landwirte, die naturverträglich wirtschaften, ein faires Einkommen erwirtschaften können.
  • Das Zwei-Säulen-System aufzulösen und die Direktzahlungen innerhalb von zehn Jahren vollständig abzuschaffen. Statt pauschaler Zahlungen pro Hektar sind Anreize für den Schutz von biologischer Vielfalt, Umwelt, Tierwohl und Klima zu setzen.
  • Für landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen einen verlässlichen Rahmen über die künftigen Anforderungen zu schaffen sowie den bürokratischen Aufwand und Sanktionsrisiken zu reduzieren.
  • Mit einer Förderausrichtung auf kleine und mittlere Betriebe eine vielfältige, bäuerlich strukturierte Landwirtschaft in Niedersachsen erhalten. Zum Schutz der biologischen Vielfalt ist auch eine kleinräumige, standortgemäße Flächenbewirtschaftung zu fördern.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich in der Übergangszeit, in der noch Direktzahlungen geleistet werden, dafür einzusetzen

  • 30 Prozent der Gelder aus der ersten in die zweite Säule umzuschichten, um Agrarumweltmaßnahmen sowie Maßnahmen für Klimaschutz, Tierschutz, Naturschutz und ökologische Landwirtschaft sowie zur Stärkung regionaler Vermarktung auszubauen.
  • Die Direktzahlungen auf die ersten Hektare je Betrieb umzuschichten um bäuerliche Betriebe zu stärke und die Direktzahlungen für Großbetriebe zu deckeln.
  • Besondere Direktzahlungen für die Weidetierhaltung einzuführen, um die ökologisch wertvolle weidebasierte Haltung von Rindern, Schafen und Ziegen zu unterstützen.

Begründung

Eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik ist notwendig, um wirksame Anreize für eine naturverträgliche und gesunde Landwirtschaft sowie eine artgerechte Tierhaltung zu schaffen. Die Verteilung von Steuergeldern nach dem Gießkannenprinzip begünstigt eine industrielle Landwirtschaft in Großbetreibe und die Massentierhaltung. Stattdessen muss es eine faire Bezahlung für bäuerliche Betriebe und Öko-Betriebe geben, die eine Landwirtschaft betreiben, die das Klima und die biologische Vielfalt schützt, Tiere respektvoll behandelt, gesunde Lebensmittel produziert und unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhält.

Bislang fließen 80 Prozent des EU-Agrarbudgets in die sogenannten Direktzahlungen der ersten Säule. Damit wird vor allem der Besitz von Fläche belohnt: Die Großen bekommen viel, die Kleinen wenig. 80 Prozent der Agrarsubventionen gehen an 20 Prozent der Betriebe. Die GAP ist einseitig auf internationale Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet und lässt die landwirtschaftlichen Betrieben mit den ökonomischen Risiken allein. Die Folgen wie Marktpreisschwankungen und Krisen wie im Milchmarkt sind für viele Betriebe existenzbedrohend und haben in den letzten Jahren zu harten Strukturbrüchen geführt.

Auch das sogenannte Greening, das seit 2015 einen Teil der Direktzahlungen an ökologische Leistungen koppelt, leistet keinen Beitrag zum Schutz von Umwelt und Natur. Der EU-Rechnungshof hat den Greening-Maßnahmen bereits 2017 ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt: Die Kommission habe für die Ökologisierungszahlungen „keine klaren, ausreichend ehrgeizigen Umweltziele festgelegt. Das Greening bliebe so im Grunde eine Regelung zur Einkommensstützung. Hauptsächlich „aufgrund der beträchtlichen Mitnahmeeffekte“ sei es unwahrscheinlich „dass die Ökologisierung einen signifikanten Nutzen für Umwelt und Klima erbringen wird.“ Gleichzeitig verursache das Greening erheblichen bürokratischen Aufwand[1]

. Während die Kommission das Greening in der bisherigen Form abschaffen will, ist noch nicht klar, an welchen Stellen zukünftig Mechanismen für den Schutz und Umwelt und Natur vorgesehen ist. 

Studien unter Beteiligung der Universität Göttingen bestätigen, dass sich Agrarlandschaften mit kleineren Feldern positiv auf die Artenvielfalt auswirken. Feldränder mit Hecken und Bäumen bieten Nistplätze und Blütenangebot für Insekten und Bestäuber. Daher ist eine kleinräumige Bewirtschaftung für die Artenvielfalt ebenso wichtig wie die Umstellung auf Ökolandbau.

[1] Sonderbericht Nr. 21 des Europäischen Rechnungshof (Dezember 2017): Die Ökologisierung: Eine komplexe Regelung zur Einkommensunterstützung, die noch nicht ökologisch wirksam ist, publications.europa.eu/webpub/eca/special-reports/greening-21-2017/de/

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