Antrag: Nordsee schützen: Frachtgut professionell sichern!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Megafrachter MSC Zoe hat am Neujahrstag auf seinem Weg nach Bremerhaven rund 290 Container von insgesamt 9.000 Containern verloren. Darunter sollen sich mindestens zwei Container mit Gefahrgut befinden. Vermutlich treiben 280 Säcke mittlerweile aufgelöst der gefährlichen Chemikalie Dibenzoylperoxid im Meer sowie 1.500 Kilogramm Lithium-Ionen-Batterien. Bisher konnten 190 Container auf dem Meeresgrund geortet werden, 18 weitere wurden an Land gespült. Der Inhalt der Container hat sich teils im Meer entleert. Am stärksten betroffen sind die niederländischen Inseln Terschelling und Schiermonnikoog sowie die niedersächsische Insel Borkum. Auf Borkum haben hunderte Helfer*innen und Freiwillige den angespülten Meeresmüll, darunter Plastikspielzeug, Fernseher, Autoschalensitze, eingesammelt und die Strände werden fortlaufend gereinigt. Laut eines Sachverständigen der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer (IHK) sollen die Container auf der MSC Zoe nicht ordnungsgemäß gesichert gewesen sein (NDR 6.1.2019). Aufnahmen würden zeigen, dass die Fracht in Teilen nicht gelascht, also nicht ausreichend gesichert war. Am 12.01.19 berichtete die NWZ, dass die MSC ZOE eine Abkürzung (südliche Route) fuhr, die zumindest die Havarie begünstigte. Zwischenzeitlich wurde diese Meldung von der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Bonn bestätigt. Demnach fuhr die MSC Zoe die „Terschelling German Bight“. Dieser Seefahrtweg verläuft etwa 30 Kilometer vor den Inseln und ist zum Teil nur 17  Meter tief. Die 2015 gebaute MSC Zoe hat einen maximalen Tiefgang von 16 Metern. Laut Jens Kolvenbach von der Hafenlotsengesellschaft Bremerhaven hatte das Schiff bei der Ankunft in Bremerhaven einen Tiefgang von 12,7 Metern.

Professionelles Laschen und Entlaschen bestimmen, ob Reedereien ihre zum Teil gefährliche Fracht sicher auf der Nordsee transportieren können. Der Kampf um Aufträge und Kostensenkungen in der Branche führe allerdings dazu, dass Reedereien immer häufiger von ihren Crews verlangen, die Container schon auf See zu entlaschen, damit sie dann schneller im nächsten Hafen entladen werden können. Das spart Zeit und Geld, geht aber zulasten der Sicherheit und der notwendigen gesetzlich vorgeschriebenen Erholungszeit der Seeleute an Bord. Experten berichten, dass es mittlerweile eher die Regel sei, dass Container über Bord gingen.

Um das „System der Billigflaggen“ (Zeit, 4.9.2017) und seiner Praxis mit zum Teil ökonomischen und ökologischen, sowie auch tödlichen Folgen zu durchbrechen, hat der Niedersächsische Landtag im Sommer 2018 beschlossen, die systemimmanente Erosion der Ladungssicherung auf Frachtern zu stoppen (Drucksache 18/849). Laut dieses Beschlusses gehört das Laschen und Entlaschen in erfahrene Hände und ist - wie bislang üblich - vom speziell dafür qualifizierten Hafenpersonal auszuführen. Dieser Aufforderung entzieht sich die Landesregierung und widerspricht dem Landtags-Beschluss: In der Unterrichtung zum Antrag (Drucksache 18/2001) heißt es, dass die „Ladungssicherheit […] originäre Aufgabe der Schiffsführung“ und damit „das Schiff bzw. der Kapitän“ verantwortlich sei. Damit würde die Landesregierung die „Notwendigkeit für einen gesetzlich vorgeschriebenen Einsatz von Hafenarbeitern“ für Lascharbeiten „nicht erkennbar“ sein.

In anderen Ländern wie z.B. in Belgien können Verwaltungen in ihren Hafenverordnungen regeln, dass das Sichern der Ladung von ausgebildeten Hafenarbeitern übernommen und ausgeführt wird.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, den Beschluss zur Drucksache 18/849 umzusetzen, und insbesondere

  1. sicherzustellen, dass ausschließlich Schiffe in niedersächsische Seehäfen einlaufen, deren Frachtgut beim Anlegen noch vollständig gelascht ist, indem
    a.     das Land über Niedersachsen Ports (NPorts) im Rahmen der Küstenkonferenz die einzelnen Hafenordnungen entsprechend ändert;
    b.     das Land auf den Bund einwirkt, entsprechende gesetzliche Änderungen auch auf Bundesebene im Schiffssicherheitsgesetz (SchSG) vorzunehmen;
  2. dafür zu sorgen, dass Frachtgut in niedersächsischen Häfen ausschließlich vom speziell dafür ausgebildeten Hafenpersonal gelascht und entlascht wird;
  3. zudem sind vor dem Auslaufen der Schiffe verstärkt Kontrollen durch die entsprechenden Behörden (Dienststelle Schiffssicherheit der BG Verkehr, Wasserschutzpolizei, Zoll) durchzuführen und Sanktionen bei Verstößen mit dem Ziel zu verhängen, dass die Reedereien Regelungen und Richtlinien wie z.B. auch den International Safety Management Code of securing and lashing of goods einhalten;
  4. zu prüfen, welche Beschränkungen (z.B. Stapelhöhe der Container) es bei Gefahrguttransporten auf Frachtern geben muss, damit die Sicherheit der Anwohner*innen, des Schiffsverkehrs und Flora und Fauna gewährleistet ist;
  5. im Rahmen einer Bundesratsinitiative den Bund aufzufordern, sich international für die verpflichtende Ausstattung von Gefahrgut-Containern mit Peilsendern einzusetzen.

Begründung

Vom professionellen Laschen und Entlaschen der Container auf Frachtern ist abhängig, wie sicher die Frachter durch die Meerstraßen fahren. Das „brutale System der Billigflaggen“ (Überschrift Handelsblatt, 4.9.2017) lässt die Sicherheit auf Frachtern seit Jahren erodieren - mit gefährlichen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Wie Umweltminister Olaf Lies im Januar 2019 erklärte, ist die Nordsee nach wie vor in einem schlechten, ökologischen Zustand. Die Meeresumwelt ist u.a. durch Meeresmüll belastet, dabei gibt es „keine Anzeichen für eine Abnahme der Belastung“ (PM MU vom 8.1.2019). Folglich sind zusätzliche Maßnahmen nötig, den Eintrag von Müll aus der Schifffahrt zu reduzieren.

Von rund 2.400 Frachtschiffen im Eigentum deutscher Gesellschaften sollen laut Verband Deutscher Reeder (VDR) nur noch rund 180 Schiffe unter deutscher Flagge fahren - rund 90 Prozent der Handelsschiffe im Besitz deutscher Reedereien oder Fondsgesellschaften tragen Flaggen aus z.B. Liberia, Antigua, Panama oder den Marshall-Inseln. Billigflaggen sparen Geld und Zeit, weil die Reedereien die niedrigeren Sicherheits-, Arbeits- und Lohnstandards für Kostensenkungen nutzen. Das hat Auswirkungen auf die Sicherung der Fracht auf Schiffen: Eigentlich sind für das Laschen und Entlaschen speziell ausgebildete Hafenarbeiter zuständig, die für diese Arbeiten extra an Bord kommen. Weil Schiffsunternehmen bzw. Reedereien aber immer häufiger Zeit und Geld sparen wollen, lassen sie die Fracht vom Bordpersonal schon auf See entlaschen Denn die entsicherten Container können verrutschen, verursachen immer wieder auch schwere Unfälle oder gehen wie jetzt bei der MSC Zoe über Bord. Auf die Ausflaggung und deren Auswirkungen hat der Niedersächsische Landtag bereits im Sommer 2018 verwiesen und dazu den Entschließungsantrag „Laschen ist Hafenarbeit - Ladungssicherheit stärken“ (Drucksache 18/849) beschlossen.  Die Landesregierung, hier der Wirtschaftsminister Dr. Althusmann(CDU), sieht bislang keinen Handlungsbedarf, die abnehmende Ladungssicherheit auf Frachtern zu verbessern und gesetzlich zu regeln. Die Havarie der MSC Zoe am Neujahrstag zeigt gleichwohl auf, wie notwendig Verbesserungen sind, um die Nordsee, die Menschen und Tiere in den Küstenregionen ausreichend vor Gefahren zu schützen, die von ungesicherter Containerfracht ausgehen.

Bereits bestehende Richtlinien und auch künftige Regelungen müssen stärker kontrolliert und bei Verstößen sanktioniert werden, damit sich eine durchgreifende Wirkung in der Branche entfalten kann. So ist schon heute der International Safety Management Code für alle Schiffe verpflichtend, die unter einer anerkannten Flagge eines IMO-Staates (Internationale Seeschifffahrts-Organisation) fahren. Hier wird auch festgelegt, welche Anforderungen für den ordentlichen Seetransport von Fracht zu erfüllen sind. Ein verstärkter Kontrolldruck würde zu mehr regelkonformen Verhalten insgesamt führen, weil Reedereien die mehrstündige Kontrolle ihrer Schiffe fürchten.

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