Antrag: Küstenautobahn – Planung für A20 stoppen – jetzt!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Im Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) ist die Autobahn 20 von Westerstede bis Hohenfelde als vordringliches Projekt in den Bundesländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein ausgewiesen. Der vier-streifige Neubau erstreckt sich insgesamt über 161 Kilometer und soll laut BVWP insgesamt rund 2,6 Milliarden Euro kosten. Die Teilabschnitte der neuen Elbquerung bei Glückstadt und dem Anschluss an die A 23 werden separat zusätzlich mit rund 597 Millionen Euro angegeben. In Niedersachsen hat die A 20 eine Länge von rund 119 Kilometern und ist in acht Planungsabschnitte unterteilt.

Die Hochstufung in den Vordringlichen Bedarf erfolgte Ende 2016 mit der Begründung, die A 20 wäre für die Hafenhinterlandanbindung wichtig und erziele eine hohe Raumwirksamkeit. Tatsächlich ist der Seeweg als Verbindung zwischen den Häfen weitaus umweltfreundlicher, effektiver und kostengünstiger. Eine parallele Ost-West-Straßenverbindung schadet den deutschen Häfen sogar, wenn die Fracht in den ARA-Häfen (Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) an Land gebracht und dann an den deutschen Häfen vorbei transportiert wird.

Zur Begründung des Vorhabens wird auch das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von 1,6 angeführt, das allerdings auf veralteten Daten basiert. Festzustellen ist daher, dass die dem BVWP 2030 zugrunde liegende Nutzen-Kosten-Analyse unzureichend ist. Laut eines Gutachtens der Agentur für Stadt- und Verkehrsplanung RegioConsult aus dem Jahr 2016 verringert sich der NKV für die A 20 auf nur 1,23, wenn die aktualisierten Baukosten und der tatsächliche Reisezeitnutzen berücksichtigt würden. Ein Projekt mit einem NKV knapp über 1 ist zwar gerade noch bauwürdig, müsste sich aber laut der Gutachter einer vollständigen Sensitivitätsprüfung unterziehen. Dies ist im Zuge der Aufstellung des BVWP 2030 nicht geschehen.

Die Verkehrsprognose 2030 ermittelte im Vergleich zu vorherigen Prognosen zudem niedrigere Verkehrsaufkommen. Die Belastungen würden danach deutlich unter 20.000 Fahrzeugen, in einzelnen Abschnitten sogar unter 18.000 Fahrzeugen pro Tag liegen. Die Richtlinie zur Anlage von Autobahnen (RAA 2008) gibt jedoch einen Richtwert von 18.000 Fahrzeugen pro 24 Stunden als Mindestbelastung für Bundesautobahnen an. Angesichts des prognostizierten geringen Verkehrsaufkommens ist festzustellen, dass der Bedarf für eine milliardenschwere Investition nicht zu rechtfertigen ist. Dieses Aufkommen lässt sich problemlos mithilfe anderer alternativen Ausbaumaßnahmen bewältigen. Leider sind die Alternativprüfungen, wie sie im Rahmen der Aufstellung zum BVWP 2030 laut der Strategischen Umweltprüfung (SUP) schon längst hätten durchgeführt werden müssen, laut RegioConsult nicht oder aber nur zum Teil gemacht worden. Dieses ist nun landesseitig nachzuholen.

Außer den enorm hohen Kosten ist bei der Küstenautobahn auch ein hoher naturschutzfachlicher Preis zu zahlen. Die vorgesehene Neubaustrecke der A 20 von Westerstede in Niedersachsen bis Hohenfelde in Schleswig-Holstein führt durch agrarisch genutzte Landschaft sowie durch Marsch- und Moorlandschaften. Die Trasse führt durch vier FFH-Gebiete. Bei drei dieser FFH-Gebiete können die Länder erhebliche Beeinträchtigungen nicht ausschließen. Außerdem sind direkt oder indirekt BfN-Lebensraumnetzwerke betroffen, auch hier können Konflikte nicht ausgeschlossen werden. Die hohe Umweltbetroffenheit ist beim Neubau der A 20 bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden. Insbesondere ist zu bemängeln, dass keine Bewertung des gesamten Projektes dazu vorliegt.

Ein Widerspruchsverfahren des BUND und mitunterstützenden Verbänden zur SUP liegt seit eineinhalb Jahren der EU-Kommission vor. Eine Anhörung der Bundesregierung hierzu hat im letzten Jahr stattgefunden. Eine Entscheidung, ob die Bundesregierung die SUP wiederholen muss, steht indes aus.

Der Neubau der A 20 ist auch deswegen abzulehnen, weil bei sieben planfestzustellenden Abschnitten in Niedersachsen Moore betroffen sind. Insbesondere sind die Teilabschnitte 2 (Wesermarsch) und 7 (Hammahermoor) zu nennen, die bis zu 17 Meter tiefe Moorschichten aufweisen. Die Erfahrung in Mecklenburg-Vorpommern hat gezeigt, dass solche Böden statisch unberechenbar sind. In der Folge ist im Nachbarbundesland die A 20 auf eine Strecke von bis zu 100 Metern und eine Tiefe bis zu vier Metern beidseitig abgesackt. Noch sind die Ursachen dafür nicht abschließend geklärt. Weiterhin ist nicht genau abzusehen, wie viel Zeit die Reparaturarbeiten benötigen und wie viel sie kosten werden. Geschätzt werden die Kosten aktuell auf mindestens 200 Millionen Euro, die Bauarbeiten laufen mindestens bis zum Jahr 2021 (RND 22.6.2018). Die Landesregierung in Niedersachsen kann ein ähnliches Desaster hierzulande nicht explizit ausschließen, das geht aus der Antwort auf eine Grüne Anfrage hervor (Drucksache 18/430). Denn auch das sogenannte Überschütt- oder auch das Bodenvollaustauschverfahren, kann nicht sicherstellen, dass ein Absacken auf niedersächsischer Seite verhindert wird. Zuständige Ingenieure haben auf Veranstaltungen der Straßenbehörde nur eine Lebensdauer von maximal Zehn Jahren garantiert, welche deutlich unter den üblichen 20-25 Jahren liegt.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf

  1. die laufenden Planfeststellungsverfahren der A 20 einzustellen und die anstehenden Planfeststellungsverfahren nicht zu beginnen;
  2. gegenüber der Bundesregierung dafür einzutreten, die A 20 aus dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen herauszunehmen;
  3. den Anteil der Beschleunigungsmittel über 8 Millionen Euro für Alternativprüfungen und Gutachten zu verausgaben, der für die beschleunigte Planung der A 20 vorgesehen war;
  4. Alternativen zum Neubau der A 20 zu prüfen – unter anderem den lokalen dreispurigen Ausbau vorhandener Straßen, kleinräumige Ortsumgehungen sowie die Ertüchtigung und Ausbau vorhandener Schienenstrecken der EVB für den Güterverkehr.

Begründung

Der Neubau der sogenannten Küstenautobahn ist ein Verkehrsprojekt, das eine erhebliche Investition erfordert, das gleichzeitig umfangreich in Natur und Landschaft eingreift und aufgrund der Moor- und Marschlandschaften erhebliche, nicht vertretbare Risiken birgt.

Im Koalitionsvertrag spricht die Große Koalition in Niedersachsen allerdings dem Autobahnbau grundsätzlich „eine zentrale Bedeutung bei der Stärkung der Verkehrsinfrastruktur“ zu. „SPD und CDU wollen daher die im Bundesverkehrswegeplan im vordringlichen Bedarf verankerten Projekte zügig vorantreiben. Dies gilt vor allem für den Bau der A 20 […].“ Für die beschleunigte Planung auch von Autobahnen haben SPD und CDU im Nachtragshaushalt 2017/18 im Einzelplan 08, Kapitel 0820 unter Haushaltstitel 53710 zusätzlich 8 Millionen Euro eingestellt. Der Mehrbedarf würde bestehen, um „Projekte an Bundesfernstraßen beschleunigt […] zur Baureife führen“ zu können.

Gleichwohl handelt es sich bei der Autobahn 20 um eines der umstrittensten und umweltschädlichsten Bundesfernstraßenprojekte bundesweit. Kritiker werfen Bund und Land vor, den Nutzen der Küstenautobahn schön gerechnet zu haben. Massive Steigerungen bei den Baukosten sollen ebenso wenig berücksichtigt worden sein wie der echte Nutzen einer verkürzten Reisezeit. Für den BVWP 2030 sind Zahlen aus 2012 zur Grunde gelegt worden. Eine Kostensteigerung seither von jährlich 4 Prozent würde den NKV noch einmal erheblich reduzieren. Auch die Kosten der Elbquerung werden voraussichtlich auf mindestens 1,5 Milliarden Euro ansteigen und somit würde der NKV deutlich unter 1,00 abfallen.  Die Durchschneidung schützenswerter Landschaftsgebiete führt zudem zu einer hohen Umweltbetroffenheit, die in die Gesamtrechnung des Projektes nicht eingeflossen ist. Auch der erhebliche Flächenverbrauch, den der Neubau der A 20 mit sich bringt, ist monetär genauso wenig berücksichtig worden wie der Negativnutzen der Landwirtschaft.

Die Kosten für die A 20 dürften zusätzlich noch einmal massiv steigen, wenn ähnlich wie in Mecklenburg-Vorpommern die zum Teil auf Moor gebaute Autobahn auch in Niedersachsen absacken sollte. Zwar soll hierzulande ein anderes Verfahren angewendet werden, gleichzeitig ist nicht geklärt, ob dieses Verfahren dem Moor standhalten wird, zumal Ingenieure nicht die übliche Lebensdauer von 20-25 Jahren garantieren können.

Gleichzeitig bleibt festzustellen, dass aufgrund der Planungen mit den vielen aufgeführten Unwägbarkeiten dieses Autobahnprojektes notwendige Weiterentwicklungen, insbesondere im touristischen Bereich gefährdet werden.

Aufgrund der Unwägbarkeiten hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) im Juni Klage beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Der BUND klagt gegen den ersten Abschnitt der A 20. Der Abschnitt von Westerstede bis Rastede ist der erste von acht Planungsabschnitten, für den ein Planfeststellungsbeschluss im April 2018 erlassen worden ist. Das Projekt müsse laut BUND vor Gericht auf den Prüfstand kommen, weil „der geringe prognostizierte Verkehr den zu erwartenden Schaden an Natur und Klima nicht rechtfertigt“ (PM BUND 19.6.2018). Mit dem Neubau der A 20 würden „nationale und internationale Klimaschutzziele in eklatanter Weise“ ignoriert werden. Der Naturschutzbund Niedersachsen (NABU) unterstützt den BUND bei seiner Klage.

Statt eine milliardenschwere Investition in ein Projekt zu investieren, das keinen nennenswerten Nutzen für Wirtschaft, Anwohner*innen und Beschäftigte schaffen wird und das gleichzeitig einen hohen ökologischen Schaden anrichten wird, ist es sinnvoll und angebracht, die Planungen zu stoppen. Stattdessen soll geprüft werden, welche anderen Baumaßnahmen das Verkehrsaufkommen ausreichend und günstiger bewältigen könnten. Die zusätzlichen Mittel für eine beschleunigte Planung für eine zweifelhafte Autobahn sind darauf zu verwenden, alternative Baumaßnahmen zu prüfen. Als Alternativen bieten sich unter anderem die Bundesstraßen 71 und 73 und deren Ausbau zu 2+1 an.

Grundsätzlich muss darüber hinaus schnellstmöglich die Einleitung einer Verkehrswende erfolgen mit dem Ziel, den

(Verteilt am      )

 

Straßenverkehr dauerhaft zu reduzieren. Dazu gehört auch die Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene.

 

 

Parlamentarischer Geschäftsführer

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