Antrag: Fortführung Landesprogramm - Radschnellwegenetz für Niedersachsen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Bedarf nach Radschnellverbindungen steigt rapide – die wachsenden Städte benötigen Alternativen für Pendlerinnen und Pendler. In Niedersachsen pendeln 3,72 Millionen Berufstätige täglich und verstopfen die Straßen mit einem überbordenden Autoverkehr. Laut Landesamt für Statistik (LSN) nutzen dabei sogar immer mehr Berufstätige das Auto, um zur Arbeit zu kommen. Der Anteil der Autofahrer*innen stieg von 65,3 Prozent in 2008 auf 67,1 Prozent in 2012 auf dann 70,2 Prozent in 2016. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil der Radfahrer*innen von 14,3 Prozent, auf 14,1 Prozent auf nun 13,6 Prozent (Statistische Monatshefte Niedersachsen 06/2018).

Die Folgen sind schwerwiegend - Luft und Lärmbelästigung gerade in Ballungszentren verschlechtern sich, täglich droht der Verkehrskollaps und der Klimawandel mit seinen Wetterextremen beschleunigt sich.

Eines der wichtigsten Instrumente, das zu Lösungen führen und zu einer wirksamen Mobilitätswende beitragen kann, sind Radschnellwege. Der Radverkehr erfreut sich wachsender Beliebtheit. Der Umsatz in der Branche stieg deutschlandweit von rund 780 Millionen Euro in 2000 auf 1,9 Milliarden Euro in 2017 (Drucksache 18/1786). Dabei erhöhte sich vor allem auch der Verkauf von Pedelecs zuletzt im Jahr 2017 auf rund 720.000, mit denen die Menschen problemlos und günstig auch längere Strecken zurücklegen können. Diese Entwicklungen führen dazu, dass Niedersachsen eine grundlegend neue Radinfrastruktur braucht, die zügig voranzutreiben ist. Radschnellwege haben das Potenzial, schnelle Verbindungen von den Außenbezirken in die Städte zu schaffen und Mittelzentren mit Oberzentren zu verbinden. Damit könnten die Hauptverkehrsstraßen und der ÖPNV in den wachsenden Ballungsräumen nachhaltig entlastet werden. Andere Bundesländern haben dies längst erkannt. Und auch Niedersachsen war in den Jahren 2017 und 2018 mit seinem Sonderprogramm Radschnellwege mit einem Mittelumfang von 12,35 Millionen Euro auf dem richtigen Weg: Viele Kommunen befassen sich seither mit der Realisierung von Radschnellwegen. Gleichzeitig erleben die Kommunen, dass sie dabei an strukturelle begründete Grenzen stoßen. Die interkommunal angelegten Radschnellverbindungen erfordern eine erhöhte Einsatzbereitschaft und Koordination, solange es unklare Zuständigkeiten, keine verlässliche Förderung und keine einheitliche Gestaltungsgrundlage gibt. Das Bundesprogramm wird diese Defizite nicht auffangen. Von den jährlich 25 Millionen Euro wird Niedersachsen laut Landesregierung 2,6 Millionen Euro erhalten. Die Förderkriterien sind streng und nicht von jedem Radschnellprojekt zu erfüllen. Außerdem steht die Mittelhöhe in keinem Verhältnis zum Bedarf. Und an den strukturellen Problemen ändert das Bundesprogramm auch nichts. Gleichzeitig hat eine Bedarfsabfrage der Bundesregierung ergeben, dass bundesweit etwa 80 Projekte mit einer Streckenlänge von 1.400 Kilometern geplant seien. Wenn alles diese Projekte umgesetzt werden sollten, ist mehr als 1 Milliarde Euro dafür nötig.

Der Landtag nimmt zur Kenntnis,

  1. dass laut Fahrradmonitor des Bundesverkehrsministeriums 55 Prozent der Pendler*innen das Fahrrad bzw. häufiger das Fahrrad zum Pendeln nutzen würden, wenn es Radschnellwege geben würde.
  2. dass es ergänzend zum Bundesprogramm Radschnellwege kontinuierlich und verlässlich ergänzend Mittel auf Landesebene geben muss, um alle Radschnellwegprojekte in Niedersachsen fördern und realisieren zu können.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf

  1. den Modal Split in Niedersachsen an radfahrenden Berufspendler*innen bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent als Beitrag zur Verkehrswende und zum Erreichen der Klimaziele zu erhöhen;
  2. als Ausbauziel festzuschreiben, dass Niedersachsen bis zum Jahr 2025 mindestens 250 Kilometer Radschnellwege gebaut haben wird;
  3. das Sonderprogramm Radschnellwege aus den Jahren 2017 und 2018 fortzusetzen, die Mittel dafür zu verstetigen und 10 Millionen Euro jährlich zur Verfügung zu stellen;
  4. den Bau von interkommunalen Radschnellwegen auch als Landesaufgabe verankern und die Kommunen bei Koordination, Planung und Bau zu unterstützen;
  5. eine flächendeckende Machbarkeitsstudie als Grundlage zu erstellen, die u.a. eine landesweite Potenzialanalyse für den Bau Radschnellwegen beinhaltet.

Begründung

Verkehrsexperten sind sich schon lange einig, dass Radschnellwege mit einem eigenen Streckennetz für Radfahrer*innen eine Reihe von zunehmenden Verkehrsproblemen lösen könnten. So kam auch der Europäische Radgipfel, der sich vor Kurzem in Salzburg traf, zu dem Schluss, dass Radschnellwege verstopfte Straßen entlasten, die Luftqualität verbessern und Emissionen im Verkehrssektor verringern könnten. Interessenverbände pflichten dem bei: So fordert u.a. der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), dass mehr Geld den Kommunen zur Verfügung gestellt wird, um mehr und breitere Radwege zu bauen. Zusammen mit noch zu bauenden Radschnellwegen soll so für Pendler*innen aus dem Umland ein Radwegenetz geschaffen werden (dpa 19.9.2018).

Wie es gehen kann, macht das Nachbarland Niederlande vor: Dort gibt es bereits ein Radschnellwegenetz über 300 Kilometer, 600 weitere Kilometer sind geplant. Auch in Deutschland machen sich immer mehr Bundesländer und Kommunen auf den zum Teil noch steinigen Weg, weil Standards fehlen, Fördermittel noch nicht zuverlässig fließen und Zuständigkeiten noch nicht geklärt sind. So fehlt noch immer eine Definition in der Straßenverkehrsordnung für Radschnellwege. Wo Bundesländer und Kommunen in die Planung gehen, zeigt sich, dass es zum Teil deutliche Interessenskonflikte gibt - wenn beispielsweise Parkplätze wegfallen müssen, um eine Trasse für einen Radschnellweg zu finden, gefällt das den Autofahrer*innen kaum. Hier ist es nötig, Strukturen für einen moderierten Interessensausgleich zu entwickeln.

Die GroKo in Niedersachsen lässt das Sonderprogramm Radschnellwege leider enden und führt es vom Jahr 2019 an nicht fort. Gleichwohl erwidert die Landesregierung auf die Große Anfrage zum Radverkehr (Drucksache 18/1786) „Die Erhöhung des Anteils emissionsfreier Mobilität ist grundsätzlich geeignet, einen Beitrag zur CO2-Minderung und Erreichung von Klimazielen zu leisten.“ Die Landesregierung erkennt auch an, dass „eine besondere Innovation […] die Einführung von Radschnellwegen als neues Standardelement der Infrastruktur“ ist. Gleichzeitig beerdigt die GroKo das Landesprogramm Radschnellwege und verweist auf den Bund und das Bundesprogramm. Tatsächlich hat eine entsprechende Änderung des Fernstraßengesetzes eine Grundlage für den Radschnellweg geschaffen. Im niedersächsischen Fördererlass für kommunale Radschnellwege vom 18. August 2017 finden sich die Förderkriterien für Kommunen wieder. Die Landesregierung lässt dabei außer Acht, dass das Bundesprogramm mit 25 Millionen Euro und einem jährlichen Anteil in Höhe von 2,6 Millionen Euro für Niedersachsen weder finanziell ausreicht noch die strukturellen Probleme bei der Realisierung beseitigt. Ferner sind die Kriterien derart streng, dass der Großteil der aktuellen Interessensbekundungen von Kommunen nicht zum Bundesprogramm zugelassen werden würden. Eine Finanzierung von Lücken ist nicht mit dem Bundesprogramm abgedeckt.

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