Antrag: Einrichtung eines Aktionsprogramms zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die Landesregierung richtet ein landesweites Aktionsprogramm ein, um Wohnungslosigkeit nach Möglichkeit zu verhindern, bereits eingetretene Wohnungslosigkeit zu überwinden und die Folgen von Wohnungslosigkeit abzumildern. Das Aktionsprogramm beinhaltet folgende Maßnahmen:

  1. eine landesweite Wohnungslosenstatistik,
  2. die flächendeckende Einrichtung von kommunalen Fachstellen zur Hilfe in Wohnungsnotfällen, die für die Bearbeitung von Wohnungsnotfällen erforderliche Teilkompetenzen aus den Bereichen Ordnungsrecht, Sozialrecht und Wohnungsmarkt bündeln und dadurch zielgerichtete Unterstützung anbieten können,
  3. spezielle Unterstützungs- und Unterbringungsangebote für wohnungslose Frauen und junge Menschen ohne Wohnung,
  4. Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen medizinischen Versorgung wohnungsloser Menschen, sowie Maßnahmen zur Integration wohnungsloser Menschen in das medizinische Regelsystem unter Beteiligung der Gesetzlichen Krankenversicherung,
  5. Maßnahmen zur Beteiligung von Betroffenen an der Entwicklung neuer Angebote für wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen.

Darüber hinaus wird die Landesregierung aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um bezahlbaren Wohnraum in Niedersachsen zu schaffen.

Begründung

Wohnungslosigkeit ist die härteste Konsequenz materieller Armut. Sie hat in der Regel verschiedene, sich gegenseitig verstärkende Ursachen und ebenso viele Ausprägungen. Menschen, die ihre Wohnung durch eine Trennung verlieren und bei Bekannten unterkommen, geflüchtete Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben oder Menschen, die ohne ein Dach über dem Kopf auf der Straße leben – sie alle gelten als wohnungslos.

Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass sich die Fraktionen der SPD und der CDU mit dem Entschließungsantrag „Hilfen für wohnungslose Menschen“ (Ds. 18/845) dieses Themas angenommen und verschiedene Maßnahmen gefordert haben. In der schriftlichen Anhörung ist jedoch deutlich geworden, dass es deutlich weitergehende Bedarfe bei den Hilfen für wohnungslose Menschen und auch deutlich mehr präventive Anstrengungen zur Vermeidung von Wohnungsverlusten gibt. Prävention trägt dazu bei, Wohnungslosigkeit mit ihren sozialen und wirtschaftlichen Folgekosten zu vermeiden, bestehende Wohnverhältnisse zu sichern und die Handlungsfähigkeit von Menschen in Wohnungsnotfällen zu stärken. Sie sollte daher im Zentrum aller Bemühungen stehen und ein koordiniertes Zusammenwirken der Akteure in den Kommunen ermöglichen.

Der vorliegende Antrag greift somit die von den Akteurinnen und Akteuren der Wohnungslosenhilfe in der Anhörung vorgebrachten Vorschläge für ein umfassendes Aktionsprogramm des Landes Niedersachsen auf, um Wohnungslosigkeit nach Möglichkeit zu verhindern, bereits eingetretene Wohnungslosigkeit zu überwinden und die Folgen von Wohnungslosigkeit abzumildern.

Zu 1.

Eine Wohnungslosenstatistik gibt Aufschluss über Umfang und Struktur von Wohnungslosigkeit und ist somit Grundlage für die Planung zielgerichteter Prävention und Intervention in den Kommunen. Dazu sind Daten der örtlichen Träger der Sozialhilfe und der freien Träger der Wohnungslosenhilfe systematisch zu ermitteln und auszuwerten. Das Bundesland Nordrhein-Westfahlen bspw. verwendet zu diesem Zweck ein online-Erhebungsverfahren. Die landesweite Wohnungsnotfallstatistik ist mit der geplanten bundesweiten Wohnungsnotfallstatistik zu verzahnen.

Zu 2.

Kommunale Fachstellen zur Hilfe in Wohnungsnotfällen bündeln aus den Bereichen Ordnungsrecht, Sozialrecht und Wohnungsmarkt die Teilkompetenzen, die für die Bearbeitung von Wohnungsnotfällen erforderlich sind und in der Regel über verschiedene Ressorts in den Kommunalverwaltungen verteilt sind. Um rasche Unterstützung aus einer Hand anbieten zu können, ist es sinnvoll, die Hilfen zur Wohnungssicherung nach SGB II und SGB XII auf die Fachstellen zu übertragen. Empfehlungen der BAG Wohnungslosenhilfe zufolge, sollten kommunale Fachstellen immer in Kooperation mit freien Trägern der Wohnungslosenhilfe tätig sein und nicht nur Anlaufstelle für Menschen in Wohnungsnotfällen sein, sondern auch aufsuchende und wohnbegleitende Hilfen anbieten, um (wiederholte) Wohnungsnotfälle zu vermeiden. Fallstudien aus Nordrhein-Westfahlen haben gezeigt, dass Kommunen mit zentralen Fachstellen Leistungen zielgerichteter anbieten und Wohnungsverluste effektiver verhindern können. Maßnahmen zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit sind jedoch nicht nur aus humanitären Gründen geboten, sondern tragen auch zur Entlastung kommunaler Haushalte bei, wie eine Berechnung des Deutschen Städtetages aus dem Jahr 1987 zeigt. Demnach übersteigen die Kosten für die Unterbringung wohnungsloser Menschen und die daraus resultierenden Folgekosten die Kosten der vorbeugenden Wohnungssicherung um eine Vielfaches.

Zu 3.

Wie in der Anhörung zur Drucksache 18/845 deutlich wurde, besteht umfangreicher Handlungsbedarf zur Unterstützung von Frauen in Wohnungsnotfällen. Neben geschützten und geschlechtergetrennten Unterbringungsmöglichkeiten, die auch Frauen mit Kindern offenstehen, sind vor allem Maßnahmen zur Aufarbeitung von Gewalterfahrungen, zur Qualifizierung von Frauen mit geringem Bildungsstand und zur Vermittlung in dauerhafte Wohnverhältnisse erforderlich.

Zu 4.

Menschen in Wohnungsnotfällen sind gesundheitlich in der Regel stark belastet, stehen jedoch häufig vor verschiedenen Zugangsbarrieren zum medizinischen Regelsystem. Zwar gibt es verschiedene niedrigschwellige Angebote medizinischer Versorgung für Menschen in Wohnungsnotfälle, z.B. Straßenambulanzen, Sprechstunden in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe oder Krankenwohnungen. Diese stellen jedoch nur punktuell eine maximal rudimentäre medizinische Versorgung sicher und sind finanziell nicht dauerhaft abgesichert. Zudem mangelt es häufig vor allem an gynäkologischen und psychiatrischen, sowie zahnärztlichen Behandlungsmöglichkeiten. Bestehende Angebote müssen daher qualitativ und quantitativ unter Beteiligung der Gesetzlichen Krankenversicherung – auf deren Leistungen Menschen in Wohnungsnotfällen einen sozialrechtlichen Anspruch haben - ausgebaut werden, gleichzeitig aber auch eine Brückenfunktion in das gesundheitliche Regelsystem übernehmen und Zugangsbarrieren abbauen.

Zu 5.

Die Beteiligung von Betroffenen ist eine wichtige Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Maßnahmenplanung und fördert gleichzeitig die Selbstwirksamkeit der Beteiligten. Während die Beteiligung in anderen Bereichen der Sozialgesetzgebung bereits fester Bestandteil und für Menschen mit Behinderungen gar das Leitmotiv der UN-Konvention ist, gibt es in der Wohnungslosenhilfe nur vereinzelte Bestrebungen, Betroffene zu Beteiligten zu machen und ihre Expertise einzubinden. Die im Aufbau befindliche bundesweite Selbstvertretung wohnungsloser Menschen macht den Bedarf der Betroffenen nach einer stärkeren Beteiligung jedoch deutlich.

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