Antrag: Atomrisiken nicht weiter exportieren: Brennelementefabrik in Lingen stilllegen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Spätestens bis zum Jahr 2022 muss auch in Niedersachsen das letzte Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Doch der Ausstiegsbeschluss gilt bislang nicht für alle Atomanlagen. Die Brennelementefabrik Lingen verfügt über eine unbefristete Betriebsgenehmigung, das gleiche gilt für die Uran-Anreicherungsanlage im westfälischen Gronau.

Um den Ausstieg aus der Atomenergie konsequent und glaubwürdig umzusetzen, müssen schnellstmöglich alle Anlagen der Kernbrennstoffnutzung stillgelegt und der Export von Brennelementen ins Ausland beendet werden.

Sowohl der Bundesrat (Drucksache 340/11) als auch die Umweltministerkonferenz (Beschluss vom 17.06.2016) haben bereits die rechtssichere Stilllegung der Atomanlagen in Lingen und Gronau gefordert. Auf Druck insbesondere der grün mitregierten Bundesländer legte die damalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks im November 2017 zwei Rechtsgutachten vor, die belegen, dass die Schließung der Atomanlagen in Lingen und Gronau verfassungskonform umsetzbar ist und die Betreiber keine Schadensersatzansprüche geltend machen könnten. Folglich sind keine sachlichen Gründe gegen eine Schließung der Brennelementefabrik in Lingen ersichtlich.

Der Landtag stellt fest:

Die Fertigung von Brennelementen und deren Export an ausländische Atomkraftwerke steht im Widerspruch zum beschlossenen Atomausstieg der Bundesrepublik und ist daher schnellstmöglich zu beenden. Die Brennelemente-Fertigung stellt eine Gefahr für die Menschen in der Bundesrepublik und in den belieferten Ländern dar und ist mit regelmäßigen Atomtransporten verbunden.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. sich im Bund für die schnellstmögliche Schließung der Brennelementefabrik in Lingen einzusetzen und die Brennelement-Exporte ins Ausland zu beenden. Die Stilllegung muss spätestens im Jahr 2022 mit dem Abschalten des letzten Atomkraftwerks in der Bundesrepublik erfolgen,
  2. sich bis zur erfolgten Schließung auf Bundesebene für einen sofortigen Export-Stopp für Brennelemente an die belgischen Atomkraftwerke Doel und Tihange zu verwenden, die gravierende Sicherheitsmängel aufweisen,
  3. sich auf Bundesebene für die dauerhafte Stilllegung der belgischen Risikoreaktoren einzusetzen,
  4. die Fachkompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens ANF in Lingen beispielsweise für den Rückbau von Atomkraftwerken zu sichern und weiterzuentwickeln.

Begründung

Die einzige in Deutschland betriebene Brennelementefabrik steht in Lingen und wird betrieben von dem Unternehmen Advanced Nuclear Fuels (ANF), das zu dem französischen Atomkonzern Framatome) vormals Areva, gehört. Framatome ist mehrheitlich im Besitz des französischen Staates.

Die Brennelementefabrik in Lingen beliefert Atomkraftwerke in Deutschland und Europa. Schon heute produzieren die Urananreicherung in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen in erheblichem Umfang für ausländische Abnehmer. Nach Vollendung des Atomausstiegs in Deutschland werden die Atomanlagen ausschließlich für die Atomkraftnutzung im Ausland arbeiten. Die Brennstofferzeugung ist mit Strahlenrisiken und chemotoxische Gefahren für Mensch und Umwelt verbunden. Darüber hinaus erzeugen die Anlagen radioaktive Abfälle, die über Generationen gefährlich sind und für die bislang kein verlässlicher Entsorgungsweg besteht.

Der Bundesrat stellte bereits in seinem Beschluss vom 17. November 2011 (Drs. 340/11) fest: „Die Unterstützung der Atomenergienutzung im Ausland bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Atomenergienutzung im Inland aus dem Bewusstsein der Unverantwortbarkeit der Atomenergie ist politisch und moralisch widersprüchlich und nicht hinnehmbar. Ergänzend ist auf mit der Aufrechterhaltung des Brennstoffkreislaufs verbundene Gefahren, zum Beispiel durch Transporte, hinzuweisen.“

Die Bundesregierung forderte die belgische Regierung 2016 auf, die Atomreaktoren Tihange 2 und Doel 2 "bis zur Klärung offener Sicherheitsfragen" herunterzufahren – erfolglos. In den Reaktordruckbehältern der beiden Anlagen wurden tausende Risse festgestellt, was erhebliche Zweifel an der Störfallsicherheit begründet. Allein von April 2017 bis März 2018 fanden 6 Brennelement-Transporte von Lingen an die Reaktoren im belgischen Doel statt. Die Bundesregierung erteilt weiterhin Export-Genehmigungen und hat nach eigenen Angaben zuletzt den Transport von weiteren 48 Brennelementen nach Doel gestattet (vgl. Bundestags-Drucksache 19/1126). Die aktuellen Transportlisten des Bundesamts für kerntechnische Entsorgung dokumentieren neben Brennelement-Lieferungen an die Atomkraftwerke Neckarwestheim, Philippsburg, Lingen, Gundremmingen auch Exporte ins Ausland nach Brasilien, Spanien, Schweden, die Schweiz sowie für den Reaktor-Neubau Olkiluoto in Finnland (vgl. BfE https://www.bfe.bund.de/DE/ne/transporte/aktuelle-genehmigungen/aktuelle-genehmigungen_node.html )

Nach geltendem Atomrecht können Brennelement-Exporte untersagt werden, wenn deren Verwendung im Ausland die innere Sicherheit in der Bundesrepublik gefährdet (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 Atomgesetz). Dies wäre bei einer Havarie der störanfälligen Atomkraftwerke Tihange und Doel in Belgien der Fall. Die schadhaften Atomreaktoren sind nicht nur ein Risiko für die grenznahen Gebiete, sondern für die gesamte Bundesrepublik. Das bestätigt auch ein Gutachten der Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziem, das die Ärzteorganisation IPPNW in Auftrag gegeben hat. Erforderlich sei demnach ein Handeln aus Vorsorgegründen. Bereits erteilte Ausfuhrgenehmigungen könnten und müssten widerrufen werden (vgl. Kurzgutachten zur Anordnung eines Exportstopps für Brennelemente aus der Brennelementefabrik Lingen in die Atomkraftwerke Doel, Fessenheim und Cattenom, Juli 2016, https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Exportstopp_Brennelemente_Lingen.pdf

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