Anja Piel: Rede zur Entkriminalisierung von Cannabis

Abgeordneter der grünen Landtagsfraktion bei einer Aktion der Grünen Jugend anlässlich der Beratung des Antrages zur Entkriminalisierung von Cannabis

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

ich habe der Debatte zu unserem Antrag entnommen, dass uns alle ein Ziel eint: Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren zu schützen, die mit dem Konsum von Drogen verbunden sind.

Die Vorstellungen darüber, wie dieses Ziel zu erreichen ist gehen hingegen weit auseinander.

Wir haben jetzt viele Argumente für und gegen eine regulierte Abgabe von Cannabis gehört. Die will ich jetzt nicht alle noch einmal wiederholen. Aber ich will deutlich machen, warum ein Modellprojekt in Niedersachsen nicht nur sinnvoll, sondern auch dringend notwendig ist.

Fakt ist: der Konsum von Cannabis ist gesellschaftliche Realität. Daran ändert das derzeitige Verbot übrigens gar nichts.

Selbst für Jugendliche ist es oftmals einfacher, an einen Joint zu kommen, als an eine Flasche Wodka. Weil der Dealer auf der Straße nicht nach dem Alter fragt.

Während Minderjährige also durchaus an Drogen kommen, erreichen Präventionsangebote diese Jugendlichen hingegen nur sehr schwer: denn aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und davor, dass die Eltern oder die Schule davon erfahren, nehmen Jugendliche Hilfsangebote oftmals gar nicht erst in Anspruch.

Und das genau ist problematisch an der derzeitigen Rechtslage und verpflichtet uns als politisch Verantwortliche zum Handeln. Diese paradoxe Situation löst man auch nicht dadurch auf, dass man feststellt, dass man keinen Handlungsbedarf sieht, so wie es die Landesregierung letzte Woche gesagt hat.

Anrede (direkt an SPD und CDU),

Sie sagen zum Beispiel, ein liberaler Umgang mit Cannabis würde insbesondere für Jugendliche verharmlosend wirken. Womit lässt sich das belegen? Erstmal hätten wir dadurch die Chance, Jugendliche frühzeitig anzusprechen und ihnen Hilfe zukommen zu lassen.

Sie sagen, der Konsum würde durch eine Liberalisierung zunehmen. Tut er das wirklich? Viele Länder, darunter Portugal, die Schweiz, Tschechien, Uruguay und etliche US-Bundesstaaten haben ihren Umgang mit Cannabis gelockert. Kanada hat gestern als erste große Industrienation Cannabis legalisiert.

Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Rechtslage und dem Cannabiskonsum konnte bisher in keinem einzigen dieser Länder wissenschaftlich nachgewiesen werden!

In Italien ist beispielsweise die Konsumrate nach einer Strafverschärfung angestiegen, in Griechenland trotz einer Lockerung der Strafvorschriften gesunken. Wie sich eine Lockerung in Deutschland auswirken würde? Ich bin ehrlich: Wir wissen es noch nicht.

Sie sagen, der Schwarzmarkt würde nicht austrocken. Doch die Erfahrung zeigt, dass Erwachsene die Möglichkeit nutzen werden, Cannabis auf legalem Wege zu kaufen – auch wenn es vielleicht etwas teurer wird. Ein reiner Schwarzmarkt für Jugendliche ist für die Organisierte Kriminalität nicht ertragreich genug.

Für Alkohol gibt es einen solchen Schwarzmarkt auch nicht.

Wir brauchen also Fakten statt Vermutungen, meine Damen und Herren.

Nur so können wir eine vernünftige und sachliche Debatte über das weitere Vorgehen führen. Ein Modellprojekt kann diese solide Datengrundlage liefern. Ein Modellprojekt, das uns Auskunft darüber gibt, wie sich die Konsumzahlen bei einer regulierten Abgabe entwickeln, wie sie sich auf den Schwarzmarkt auswirkt und welche neuen Möglichkeiten sich für die Prävention eröffnen.

Anrede,

wenn die Große Koalition hier weiterhin einen Handlungsbedarf leugnet, nimmt sie damit nicht nur die Gefahren für Konsumentinnen und Konsumenten, und insbesondere für Jugendliche weiterhin billigend in Kauf. Sie hinkt auch der gesellschaftlichen Realität um Jahrzehnte hinterher.

Lassen Sie mich den kanadischen Premier Justin Trudeau vom gestrigen Tag zitieren: „Bislang ist es für Jugendliche viel zu einfach gewesen, Marihuana zu bekommen - und für Kriminelle, die Gewinne einzustecken. Das wird sich nun ändern.“ In seinem Land.

Lassen Sie uns herausfinden, ob das in Niedersachsen auch so wäre. Stimmen Sie mit uns für ein Modellprojekt, damit wir endlich über Fakten statt Vermutungen sprechen. Gekifft wird so oder so.

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