Anja Piel: Rede zur Abschlussdebatte der Haushaltsberatungen 2019

- Es gitl das gesprochene Wort -

Anrede,

nun haben Sie es fast geschafft. Wir werden jetzt gleich den Haushalt für das nächste Jahr abstimmen. Und ich bin sehr sicher: Die Mehrheit der Großen Koalition wird stehen. Wenn auch der eine oder die andere von SPD und CDU mit ein wenig Bauchkneifen oder der geballten Faust in der Tasche: Sie werden diesem Haushalt am Ende zustimmen.

Anrede,

die vielen schönen Worte, die wir in diesen Tagen von Ihnen gehört haben, zählen dabei wenig. All die Superlative, all die Lyrik sind nur Beiwerk: Es gilt, wofür Sie am Ende die Hand heben. Und das ist in vielen Bereichen genau das Gegenteil von dem, was die Zukunft von uns verlangt.

Anrede,

die Zukunft verlangt von uns einen konsequenten Klimaschutz. Und ich war ehrlich erstaunt, dass hier im Raum fast alle mit großem Augenaufschlag behaupten, man sei sich doch eigentlich einig: Klimaschutz hat Priorität. Wenn man diese großen Worte an Taten misst, reicht das Zentimetermaß! Und ein sehr kurzes.

Kein Klimaschutzgesetz, keine Programme für Bürgerenergieprojekte, kein Geld für Gebäudeeffizienz.
Dafür ein Umweltminister, der eigentlich ein Wirtschaftsminister geblieben ist. Dessen Herz für Kohle schlägt.

Herr Lies,

Klimaschutz mit Augenmaß? Wie soll das gehen?
Mit Augenmaß können Sie eine Hundehütte bauen. Für ein Gebäude, das in der Zukunft Bestand haben soll, brauchen Sie verlässliche Prognosen und ein Programm!
Wie soll eine Energiewende gehen ohne Ehrgeiz für Radwegeausbau, ohne den Willen, den Öffentlichen Nahverkehr auszubauen, ohne die Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen?

Anrede,

dazu passt der Wirtschaftsminister Nr. 2, Herr Dr. Althusmann. Der begleitet den Aufsichtsrat bei VW so stromlinienförmig, wie die Koikarpfen im Teich von Martin Winterkorn. Stumm und träge.

Und nun zu Ihnen, Herr Toepffer,

Sie haben es ja am Dienstag so schön gesagt: Jeder redet davon, was ihm wichtig ist. Stimmt: Wir reden vom Klima. Weil es schließlich irgendjemand tun muss. SPD und CDU haben vielleicht große Pläne für die nächste Legislatur. Oder die übernächste. Keiner weiß es so genau.

Aber Herr Kollege Toepffer,

Nichtstun ist bei der CDU nicht gesetzt. Sie haben doch einen Namensvetter, der ist auch in der CDU. Das hat Klaus Töpfer aber nie davon abgehalten, dafür zu kämpfen, dass unsere Umwelt bewahrt wird. Der CDU in Niedersachsen ist diese Auffassung fremd. Ihnen fehlt es an Rückgrat. Ihnen fehlt es an Konsequenz. Sie reden von allem Möglichen. Aber Sie handeln nicht.

Und Herr Birkner,

Sie haben uns ja vorgeworfen, wir glaubten, die Einzigen zu sein, die es ernst meinen beim Klimaschutz. Zeigen Sie mir doch, dass es anders ist. Aber nein, Sie ziehen sich auf die bewährte FDP-Strategie zurück: Wenn Sie etwas anders haben wollen, ist die Politik gefragt. Wenn Sie keine Veränderung wollen, ist plötzlich der Markt zuständig.

Dabei wissen Sie selbst, dass Niedersachsen mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Erfolgsgeschichte als Windenergieland Nr.1 schreibt. Und Sie sind klug genug, um zu wissen, dass es ohne Druck auf die Autobauer keine Mobilitätswende gibt. Wenn Sie all das nicht wollen, sagen Sie es. Aber tun Sie nicht so, als hätte die Politik hier nichts beizutragen.

Anrede,

die Zukunft entscheidet sich auch daran, ob in Niedersachsen Menschen mitgenommen werden. Wer zurückgelassen wird, nimmt an der Zukunft nicht teil.

Stichwort frühkindliche Bildung: Gute Teams in unseren Kitas machen unsere Kinder stark. Denn es entscheidet sich früh, wo es für jemanden hingeht.  Kitas haben wir. Sie sind jetzt sogar gebührenfrei. Wir haben zum Glück auch gute Kitas. Nur tragen Sie dazu nichts mehr bei!

Sie sorgen für neue Aufgaben und erheblichen Stress in die Kindergärten, aber leider nicht für mehr Personal. Mehr Qualität? Ist wie gutes Klima. Kann bei Ihnen warten.

Herr Minister Thümler,

wissen Sie, was auch mit Bildung zu tun, was Zukunft schafft und Identität stiftet? Richtig: Sprachkurse für Geflüchtete.

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit der Boat People. Ende der Siebziger flüchteten Menschen aus Laos und Vietnam, und 35.000 von ihnen kamen nach Deutschland. Es war einer der Ihren, nämlich Ernst Albrecht, der hier entschieden vorgegangen ist. Der hat damals dafür gesorgt, dass Niedersachsen die Menschen nicht nur aufnahm. Sondern auch dafür, dass sie alle einen Sprachkurs bekamen.

Sprache ist der Schlüssel, lieber Herr Thümler. Ihnen fällt nichts Anderes ein, als bei den Sprachkursen zu kürzen. Gegen den Willen der Kommunen und Kreise. Ein Thümler ist eben kein Albrecht.

Anrede,

wo diese Landesregierung ebenfalls am falschen Ende spart, sind die Menschen ohne Wohnung. Wer keine Bleibe hat, braucht Hilfe. Besser wäre es, so rechtzeitig zu helfen, dass jemand seine Wohnung erst gar nicht erst verliert. Nordrhein-Westfalen macht das erfolgreich. Seit Jahren. Niedersachsen macht es anders: Sie verwalten die Armut – Vorsorge treffen Sie nicht.

Dabei haben Sie eine Anhörung gemacht. Und sich selbst für die vorbildliche Beteiligung gelobt. Besser als das Eigenlob wäre es gewesen, auf die Verbandsvertreter auch zu hören! Besonders, wenn der Winter vor der Tür steht.

Anrede,

so komme ich wieder darauf zurück, mit welchem Stil diese Koalition das Land regiert. Mal ehrlich, Frau Modder, Herr Toepffer: Bei Ihren Debatten ist doch alles schon vorher entschieden. Die Landesregierung trifft die Entscheidungen, und die Fraktionen laufen hinterher. Mit der Marienburg fliegen Sie damit gerade krachend auf die Nase. Dabei tut es nicht weh, um gute Lösungen zu ringen. Es macht die Entscheidungen besser. Öfter zuhören und seltener verkünden, das ist nicht allein eine Haltungsfrage. Es schafft am Ende auch bessere Ergebnisse.

Trauen Sie sich nicht, oder trauen Sie einander nicht? Einerlei: Ihnen fehlt der Mut, mit offenem Geist, und mit offenen Ohren die Zukunft Niedersachsens zu gestalten. 

Anrede,

nun denn, wir sind uns in den vergangenen Tagen nicht einig geworden. Und wir werden uns heute auch nicht mehr einig.

Wir kommen nun gleich zur Schlussabstimmung. Ich bin sicher, dass Sie sich nach der Abstimmung zu diesem Meisterwerk gegenseitig beglückwünschen werden.  

Ihr Finanzminister ist nach eigener Aussage ja schon jetzt der größte klügste und solideste Finanzminister aller Zeiten, er schreibt Erfolgsgeschichte. Aber, Herr Minister Hilbers, wenn es am schönsten ist, soll man ja bekanntlich aufhören. Ich würde mir an Ihrer Stelle gut überlegen, ob Sie sich mit Blick auf die Nord LB und die Marienburg für 2019 nicht neu orientieren sollten. Denn ganz ehrlich: besser werden kann es doch eigentlich für Sie gar nicht mehr, oder?

Anrede,

da wir nun auf der Zielgerade dieses Jahres liegen zum Abschluss von mir:
Genießen Sie die freien Tage.
Feiern Sie, wenn Sie mögen, Weihnachten.
Tanken Sie Kraft im Kreise Ihrer Lieben und holen Sie Luft für’s nächste Jahr.

Vielen Dank.

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