Anja Piel: Rede zum Feiertagsgesetz (Landesregierung)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

da haben Sie ihn nun, Ihren Reformationstag.

Den Feiertag, den Sie immer haben wollten.

Den Feiertag, der allerdings – und das gehört zur Wahrheit auch dazu – nicht allen so viel Freude machen wird wie Ihnen.

Mit der Nordländerkonferenz zu Beginn des Jahres haben Sie klargemacht, dass der

Reformationstag neuer Feiertag in Niedersachsen werden soll – weil Sie das mit Ihren

Kolleginnen und Kollegen dort so entschieden haben.

Der neue Feiertag hätte eine große Chance sein können, die Menschen in Niedersachsen teilhaben zu lassen an einer politischen Entscheidung, die sie alle betrifft.

Eine Chance, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sich ihre Argumente und ihre Ideen anzuhören.

Diese Chance haben Sie achtlos vertan.

Stattdessen treffen Sie im Hinterzimmer die Entscheidung für einen Tag, mit der ein Großteil der Menschen in Niedersachsen nichts anfangen kann und den manche sogar als offenen Affront empfinden.

Die katholische Kirche hat darauf hingewiesen, dass die Reformation für die Spaltung des Christentums steht und daher wahrlich kein Grund zum Feiern ist.

Die Gewerkschaften halten einen weltlichen Feiertag für geeigneter – ebenso wie die zahlreichen Bürgerinnen und Bürger, die Petitionen an den Landtag gerichtet haben.

Die Humanistische Union will keinen Feiertag, der nach Konfessionen oder anderen Merkmalen trennt.

Selbst die Wissenschaft hat deutlich gemacht, dass der Reformationstag nicht als Feiertag taugt. Denn die Reformation war nicht Auftakt einer europäischen Freiheitsgeschichte, sondern vielmehr eine in weiten Teilen gewalthafte Konfliktgeschichte.

Und – auch das ist Ihnen bekannt - nicht zuletzt die Jüdischen Gemeinden stoßen Sie mit dem Reformationstag auf pietätlose Art und Weise vor den Kopf.

Zählt man all diese Gruppen zusammen kann man nur zu einem Ergebnis kommen:

der Reformationstag wird für viele Menschen kein Feiertag sein, sondern nur ein weiterer freier Tag. Für manche wird es sogar eine Zumutung sein.

Aber wir nehmen zur Kenntnis, dass all die Einwände für Sie nicht zählen. Die Anhörung erscheint da doch in erster Linie eine Beruhigungspille für die Verbände zu sein, damit diese die Entscheidung des Parlamentes am Ende mittragen, wenn man ihnen mit einer Anhörung die Möglichkeit von Beteiligung vorgaukelt.

Überzeugt und mitgenommen haben Sie mit dieser Vorfestlegung auf den Reformationstag ja offensichtlich nicht einmal die Parlamentarierinnen und Parlamentarier in den eigenen Reihen. Dias wird durch die Anträge zum Buß- und Bettag sowie zum Tag des Grundgesetzes deutlich.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Beteiligung ist Voraussetzung, Bestandteil und zugleich wesentliches Merkmal einer Demokratie.

Was Sie hier aber an den Tag legen, hat mit Beteiligung nichts zu tun, das ist Hauruck-Politik mit der Brechstange. Augen zu und durch.

Anrede,

Wir haben mit unserem Änderungsantrag den Europatag und den internationalen Frauentag vorgeschlagen.

Zwei weltliche Feiertage, die für die Menschen in Niedersachsen die Chance bieten, sich auf gemeinsame Werte zu besinnen. Denn auch mit zwei weiteren Feiertagen kommt Niedersachsen im Bundesvergleich gerade einmal im Mittelfeld an.

Weder mit dem Frauentag noch mit dem Europatag würden wir jemanden brüskieren. Mehr noch: wir würden den Anforderungen gerecht werden, die in der Anhörung mehrheitlich an den neuen Feiertag gestellt wurden.

Der Reformationstag hingegen ist schon lädiert, bevor er überhaupt Gesetz wird.

Ich appelliere daher an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen,

überlassen Sie die Entscheidung über das Feiertagsgesetz nicht der Nordländerkonferenz. Holen Sie die Entscheidung in die Herzkammer der Demokratie – in dieses Parlament.

Stimmen Sie für den internationalen Frauentag als deutliches Zeichen für mehr Gleichstellung, stimmen Sie für den Europatag und setzen Sie damit ein Zeichen, dass in diesen bewegten Tagen wichtiger und notwendiger denn je erscheint. (Nicht nur als gehisste Fahne.)

Wir geben Ihnen gleich in namentlicher Abstimmung die Möglichkeit, dies zu tun.

Und gestatten Sie mir auch noch ein persönliches Wort am Schluss.

Zu dem sensiblen Thema der Islamverträge haben wir eine ganze Reihe von interfraktionellen Gesprächen geführt. Weil wir als Koalitionspartner die Auffassung geteilt haben, dass man für bestimmte Themen nach gesellschaftlichen Mehrheiten suchen sollte.

In einer Großen Koalition sind Sie sich jetzt aber offenbar selbst genug. Für den großen Wurf steht Ihnen – nicht nur beim Feiertag – Ihre Arroganz im Weg.

Das ist schade, denn der neue Feiertag hätte ganz großes Kino in Niedersachsen werden können.

Statt eines Oskars hätten Sie für Ihre enttäuschende Performance und den schlechten Politikstil die goldene Himbeere bekommen – von uns bekommen Sie heute dafür die goldene Brechstange.

Vielen Dank.

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